Wie kam der Bohnenkaffee denn nun wirklich nach Kemtau?

Im Buch „550 Jahre dörfliches Leben – Kemtau/Eibenberg“ steht auf Seite 57 die Geschichte über das Fuhrmannsgeschäft der Familie Uhlich, die vielen Einwohnern und Geschichtsinteressierten bekannt sein dürfte:

„Obwohl Kemtau nicht an einer Fernverkehrsstraße lag, gab es im Ort eine Fuhrmannsfamilie. Seit 1552 hat die Familie dieses Gewebe betrieben. In den Burkhardtsdorfer Kirchenbüchern werden sie als ´Salzfuhrmann´ oder ´Landfuhrmann´ bezeichnet. 1683 soll ein Michael Uhlich aus dem Türkenlager vor Wien den ersten Bohnenkaffee nach Kemtau und Burkhardtsdorf gebracht haben.“

Auch im Buch „Burkhardtsdorf im Wandel der Zeit“ wird auf diese Geschichte auf Seite 77 hingewiesen, allerdings ohne Nennung einer Jahreszahl:

„Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Familie Uhlich aus Kemtau. Sie war mit ihrem Pferdegespann von Lüneburg bis Wien, damals eine große Entfernung, unterwegs und hatte den ersten Kaffee aus den Türkenlagern von Wien nach Burkhardtsdorf und Kemtau gebracht.“

Und selbst Hellmuth Hofmann, Ortschronist von Burkhardtsdorf schreibt in seinen „Beiträge zur

Ortsgeschichte von Burkhardtsdorf“ im Oktober 1971 auf Seite 111:

„Auf einem kleinen Schild über dem Pferdegespann stehen die Worte `Von Wien nach Lüneburg`. Die Uhlichs sind es auch gewesen, die nach 1683 aus den Türken-Lagern vor Wien den ersten Bohnenkaffee mit nach Kemtau und Burkhardtsdorf brachten.“


Es ist hier, wie mit der „Schnellen Post“, jeder weiß etwas anderes. Sehen wir uns die Familie Uhlig, bzw. Uhlich (der heutige Name Uhlig wurde bis 1815 am Ende mit „ch“ geschrieben) einmal genauer an.

Was ist bekannt?

  • Es gibt in dieser Familie über Generationen den Namen Michael Uhlich.
  • Genannt wird die Jahreszahl 1683, wo dieser den Bohnenkaffee aus dem Türkenlager mitgebracht haben soll.
  • Eine weitere Jahreszahl ist 1552, ab da soll diese Familie das Fuhrmannswesen betrieben haben.

Was ist tatsächlich wahr?

  • Die Familie des Landfuhrmanns Michael Uhlich ist bis ins Jahr 1552 nachweisbar.
  • Ursprünglich stammt sie aus Weißbach und ist erst ab etwa 1682 in Kemtau ansässig, und zwar waren das Michael Uhlich sen. und seine Frau Justina Meiner. Diesem Ehepaar wurde am 22. Juli 1682 in Kemtau ein Sohn, ebenfalls Michael, jun., geboren.
  • Dieser Michael Uhlich jun. wird in den Kirchenbüchern als erster der Familie als Salzfuhrmann, später als Landfuhrmann bezeichnet.
  • Weitere Fuhrmänner dieser Familie sind:

Michael Uhlich          *18.5.1723 Kemtau, +23.5.1793 Kemtau (sein Sohn)

Carl Friedrich Uhlich *24.8.1775 Kemtau, +19.4.1849 Kemtau (sein Enkel)

Carl Friedrich Uhlich *25.2.1799 Kemtau, +11.4.1871 Kemtau (sein Urenkel)

Wie war das mit dem Türkenlager?

Zeitgenössisches Gemälde der Belagerung Wiens von 1683 (Wikipedia)
Zeitgenössisches Gemälde der Belagerung Wiens von 1683 (Wikipedia)

Die Zweite Wiener Türkenbelagerung war nach der Ersten Wiener Türkenbelagerung von 1529 eine weitere erfolglose Belagerung Wiens durch das Osmanische Reich, sie dauerte vom 14. Juli bis 12. September 1683. Verteidigt wurde Wien, damals die Residenzstadt des römisch-deutschen Kaisers, durch Truppen des Heiligen Römischen Reiches, Polen-Litauens, der Republik Venedig und des Kirchenstaates. Nach zahlreichen fehlgeschlagenen Eroberungsversuchen, dem Eintreffen eines Entsatzheeres und der anschließenden Schlacht am Kahlenberg zogen sich die Truppen des Osmanischen Reiches zurück. Den genauen Schlachtverlauf kann man im Internet unter Wikipedia nachlesen. Sicher hatten die Türken ihr aromatisches, aufputschendes Getränk aus den kleinen Bohnen im Gepäck.

Aber zur Zeit der zweiten Wiener Türkenbelagerung war unser Michael Uhlich jun. gerade mal ein Jahr alt, da konnte er unmöglich den Bohnenkaffee mit nach Kemtau und Burkhardtsdorf gebracht haben.

Zu bemerken ist noch, dass die ersten Kaffeehäuser in Europa schon vor dieser zweiten Belagerung

entstanden, so um 1645 in Venedig, 1652 in London, 1663 in Amsterdam. In Deutschland gab es das erste Kaffeehaus um 1673 in Bremen, in Hamburg erst 1677.

Hellmuth Hofmanns Ortschronik von Burkhardtsdorf ist das älteste Werk, wo ich diese Geschichte lesen konnte. Aber woher er sein Wissen bezog, konnte ich nicht herausfinden.

Es gibt allerdings ein weiteres Schriftstück „Das Fuhrmannsgeschäft der Kemtauer Familie Uhlich“ verfaßt von Roland Kunick, aus der Ausstellung des Heimatvereins Kemtau, Gruppe Ortsgeschichte, vom Jahre 2008 „Bauerngüter in Kemtau/Eibenberg aus der Zeit der Besiedlung“. Darin wird nicht die Jahreszahl 1683 sondern 1863 genannt, wo ein Michael Uhlich den Bohnenkaffee mitgebracht haben soll. Haben wir es hier mit einem Zahlendreher zu tun oder war der Druckfehlerteufel am Werk?

Im Jahre 1863 kann es aber nicht der Michael gewesen sein, sondern höchstens der Carl Friedrich, welcher 1799 geboren wurde, der den Bohnenkaffee im Gepäck hatte. Er wäre dann im Jahre 1863 schon 64 Jahre alt gewesen. War er wirklich noch in diesem Alter auf großer Tour? In den Kirchenbüchern von Burkhardtsdorf und einem „Geschlechtsregister der seit dem Jahre 1669 erbangesessenen Familie Uhlich in Kemtau, auf Grund der Kirchenregister von Burkhardtsdorf und Kemtau von Herrn Otto Ende, Pfarrer“ werden nur die o.g. Personen als Fuhrmänner bezeichnet.

Wie dem auch sei und wer es wohl war, der den Bohnenkaffee wirklich ins Erzgebirge gebracht hat, wir wissen es nicht. Trotzdem werden wir uns das köstliche Getränk weiter schmecken lassen.

Von diesem Michael Uhlich gibt es noch mehr zu erzählen, er hat eine große Nachkommenschaft und es ist erstaunlich, wer da alles dazu gehört. Aber das wäre schon wieder Stoff für eine neue Geschichte.


Quellen:

  • Burkhardtsdorf im Wandel der Zeit – Siegfried Pfüller, Rosemarie Keller, Falk Drechsel
  • 550 Jahre dörfliches Leben – Kemtau/Eibenberg – Autorenkollektiv
  • Geschlechtsregister der seit dem Jahre 1669 erbangesessenen Familie Uhlich in Kemtau, auf Grund der Kirchenregister von Burkhardtsdorf und Kemtau von Herrn Otto Ende, Pfarrer
  • Beiträge zur Ortsgeschichte von Burkhardtsdorf von Hellmuth Hofmann
  • Material zur Ausstellung Bauerngüter in Kemtau/Eibenberg aus der Zeit der Besiedlung des Heimatvereins Kemtau/Eibenberg eV.92, Gruppe Ortsgeschichte
  • Zuarbeit von Falk Drechsel zu den Ahnen von Michael Uhlich jun.

Recherchiert und aufgeschrieben von Martina Hünlein

Mitglied der AG Ortschronik Burkhardtsdorf