In der Ortsmitte von Gelenau, an der Straße der Einheit, befindet sich ein Denkmal. Es erinnert an ein katatrophales Unwetter, bei dem 5 Feuerwehrmänner ums Leben kamen. Was war damals im Mai 1882 passiert?
Dazu gibt es verlässliche Informationen aus erster Hand vom damaligen Pfarrer der Gemeinde Dr. Th. H. Fritzsche, der ein kleines Buch mit 16 Seiten zum damaligen Geschehen veröffentlichte. Es hat
den aussagekräftigen Titel:
"Schilderung der Überschwemmung des schon oft und schwer heimgesuchten Ortes Gelenau im sächsischen Erzgebirge am 30. Mai 1882 nebst der Rede am Grabe der
Ertrunkenen"
Die folgenden Informationen und Zitate sind diesem Buch entnommen.
"Der 30. Mai, der 3. Pfingstfeiertag, war einer der köstlisten und lieblichsten Frühlingstage, die wir je in unserem Gebirge genossen haben. Man bemerkte nichts von einer Schwüle oder von
einer drückenden Wärme. Die Natur atmete Freude. Die Bewohner unserer Ortschaft waren freudig bewegt. Am Nachmittage und gegen Abend noch sah man Gruppen von Leuten, welche fröhlich plaudernd bei
einander standen oder andere sah man die Dorfstraße entlang wandeln; alle freuten sich des lieblichen Tages."
Dieser endete am Abend, als gegen 8 Uhr ein Gewitter von Süden heranzog. Man hielt es nicht für gefährlich und meinte es würde vorbeiziehen - ein Irrtum! Durch einen Sturm aus nördlicher Richtung
wurde das Gewitter ins Tal von Gelenau gedrängt uns setzte sich dort fest. Um 9 setze dann ein furchtbarer Hagensturm ein. Die Schloßen kamen von allen Seiten und die ersten Scheiben gingen zu
Bruch. Die Hagelkörner lagen an manchen Stellen mehrere Fuß hoch und hatten die Größe von Tauben- oder kleinen Hünereiern. Gleichzeitig ging in den Bergen Mittelgelenau's ein
wolkenbruchartiger Regen nieder und es entstand eine Überschwemmung.
"Die Blitze zuckten, der Donner rollte, das unheimliche Rauschen und Gurgeln des Wassers im Tale war vernehmbar. Die Wege waren zu Löchern geworden, das Wasser strömte durch die Gärten und
Wiesen hindurch und brach sich Bahn, kein Wunder, daß der sonst so ruhig dahinfließende Dorfbach ein tosender Strom wurde, mit Gewalt alles mit sich fortreißend."
Das Unwetter tobte weiter bis gegen 2 Uhr morgens. Es vernichtete Obstbäume und Getreidefelder, die Wiesen wurden mit Schlamm und Geröll bedeckt. Da es im Tal sehr eng zuging, standen die Häuser,
wie heute, dicht am Dorfbach. Auch an den Häusern gab es deshalb größe Verüstungen. Die Fenster wurden zerschlagen, die Dächer abgedeckt, der Putz durchlöchert und die Mauern unterspühlt. Wasser
und Schlamm drang in die Häuser und zerstörte Möbel, Vorräte und Strumpfwirkerstühle.
Auch die Einwohner gerieten in Gefahr. Viele mussten ihre Wohnungen verlassen und durch das Wasser watend höhere Gegenden aufsuchen. Andere haben sich aus den Erdgeschossen in höhere Etagen oder
dem Dachboden retten müssen. Wieder Andere sind mit Hilfe der Nachbarn aus den oberen Fenstern in Sicherheit gebracht worden.
"Herzzereißende Hilferufe tönten hnaus in das Dunkel der Nacht, das Rollen des Donners und das Brausen der Wogen, und die, welche sie hörten, waren außerstande, Hilfe zu bringen, weil ihnen
das Wasser den weg zu den Bedrohten versperrte. Trotzdem sind einige auf wunderbare Weise dem drohenden Tode entgangen; leider aber haben zehn Menschen den Tod in den Wellen
gefunden."
"Die freiwillige Feuerwehr hatte am genannten Tage eine Versammlung in Oswald Lorentz's Gasthofe. Kaum waren die Geschäfte erledigt, als das Unwetter losbrach und mehrere verhinderte, nach
ihren Wohnungen zurückzukehren. Nach Aufhören des Hagelwetters eilten die jungen, kräftigen Männer, trotz erhaltenen Warnungen, um zu den Ihren zu kommen. Knietief in Eis und Eiswasser watend
kamen sie nur mit Mühe vorwärts. Ein junger, rüstiger Schneidermeister, Louis Markert, war seinen Kameraden um dreißig Schritte vorausgeeilt, in dem schlammigen Eiswasser konnte er seine Füße nur
mit Anstrengung bewegen, mit Aufbietung aller seiner Kraft entging er schwimmenden Holzbündeln, vermochte es, in eine Seitengasse einzubiegen und langte bis zum Tode erschöpft bei seiner
ängstlich harrenden Frau an. Mitten in der eigenen Gefahr hörte er hinter sich Rufe der Todesangst, Hilfe konnte er nicht bringen, denn ein Stillstehen oder Rückwärtsgehen hätte ihm sofort das
eigene Leben gekostet. Diese Angstrufe gingen von sechs Feuerwehrleuten aus, von dem sehr beliebten Kommandanten Guido Ludwig, 26 Jahre alt, dessen Bruder Gustav Richard, 20 Jahre alt, beides
Kaufleute, dem 29 jährigen Drechsler Alwin Riedel, von dem 21 jährigen Strumpfwirker Karl Eduard Schneider, dem 19 jährigen Strumpfwirker Moritz Ernst Pfüller und dem 18 jährigen Strumpfwirker
Moritz Ernst Decker. Diese suchten sich teilweise Arm in Arm einen Weg durch das Wasser zu bahnen. Decker kam zum Fallen, aber Guido Ludwig riß ihn auf; rückwärts konnten sie nicht mehr.
Plötzlich kommt aus einer Seitengasse eine förmliche Wasserwand mit unwiderstehlicher Gewalt angebraust, schlägt über ihren Köpfen zusammen, reißt sie auseinander und begräbt sie in ihren Fluten.
Guido Ludwig ruft noch: "Lebt wohl, Kameraden." Ernst Decker, der jüngste und der schwächste unter der Schar, wird vom Wasser an einen Stacketenzaun geworfen. Mit seinem Leben bereits
abgeschlossen habend und bis zum Tode erschöpft, merkt er, daß die linke Hand zwischen den Stacketen steckt. Er ermannt sich, erhebt die rechte Hand, tastet weiter und erkennt, daß er vor
einer Haustür liegt. Mit Aufbietung der letzten Kraft klopft er noch liegend an, ruft um Hilfe, die Tür tut sich auf und rettende Hände ziehen ihn in das schützende Haus. Schlamm und Schloßen
waren in seine Blouse gedrungen und selbst der Mund von Schlamm angefüllt. Die Gefährten Deckers sind fortgetrieben worden."
"Pfüller, der unmittelbar an seinem Vaterhaus ergriffen worden war, wurde mit den Beinen unter dem Gewölbe einer Brücke eingezwängt, während sein Oberkörper oberhalb desselben blieb. Er rief
längere Zeit, angeblich eine halbe Stunde lang flehentlich im Hilfe. Diese Hilferufe wurden in den Nachbarhäusern vernommen. Bäckermeister Schlegel eilte heraus mit einer Laterne, stieg bis an
die Hüften in das Wasser, aber bei weiteren Vordringen den eigenen sicheren Tod vor Augen sehend, mußte er den Rettungsversuch aufgeben und den Unglücklichen seinem Schicksal überlassen. Die
letzten Worte desselben sind ein wiederholtes "Ach Gott, ach Gott" gewesen.
Nachdem die Fluten sich verlaufen, fand man ihn tot. Nur mit Mühe gelang es, den entseelten Körper aus seiner Lage zu befreien. Er scheint nicht ertrunken, sondern in Folge von Erschöpfung
verstorben zu sein. Sein Angesicht trug den Zug des Friedens. Kaum hatte sich die Kunde verbreitet, daß Leute verunglückt waren, als auch schon viele Männer sich mit Laternen aufmachten, die
Leichen zu suchen. Allen voran die Feuerwehr, um wenigstens die Leichen ihrer geliebten Kameraden, besonders ihres hochgeschätzten Kommandanten zu bergen. Letzteren fand man mit zerschmetterten
Schädel, welcher mit einem großen Steine bedeckt war, der rechte Arm hatte sich um einen Kirschbaum geschlungen, das Gesicht in den Schlamm sich eingedrückt. Seinen Bruder fand man in den
Wilischtalwiesen, in unmittelbarer Nähe desselben lag Schneider, Riedel war an einem Dornenzaun hängen geblieben, mit der Hand hatte er in Dornen hineingegriffen.
Aber nicht nur die Feuerwehrleute wurden Opfer der Fluten, auch in anderen Häusern spielten sich dramatische Szenen ab - und es gab weitere Opfer.
"Unmittelbar an dem Bach im Mitteldorfe steht ein steinernes Haus, welches dem Strumpfwirkermeister Karl Eduard Böhm, 48 Jahre alt gehörte. Das Haus war von den Wogen umrauscht, die Mauern
an der einen Seite sind unterwühlt, das Wasser drang ein, der Einsturz drohte. Ein älterer Sohn Böhms eilte mit seiner elfjährigen Schwester zur Haustüre hinaus, kam zum Fallen, ward über die
Straße hinübergeschleudert und rettete sich und die Schwester in ein Nachbarhaus. Der Vater nahm sein sechsjähriges, engelsschönes Töchterlein, Selma Rosa, auf seinen Rücken, um sich mit ihr zu
retten. Nach ihm wollte die Mutter mit einem dritten Kinde das Haus verlassen, blieb zaudernd an der Tür stehen, wagte es, bis an die Hüften im Wasser schreitend, weiter zu gehen, wurde von den
Wellen ergriffen, fasßte einen Zaun, rettende Nachbarshand nahm ihr das Kind ab und sie gelangte glücklich in ein Haus. Mit Bangen gedachte sie ihres Mannes und der übrigen Kinder, die ganze
Nacht hindurch wartete sie vergeblich und mußte endlich im Morgengrauen von ihrem geretteten Sohne die Schreckenskunde hören, daß ihr Gatte samt Kind den Tod in den Wellen gefunden habe. Er
selbst wurde in einem Hofe und das Kind ohne jede äußere Verletzung auf der Straße gefunden."
"In einem Haus unmittelbar am Dorfbach war ebenfalls das Wasser eingedrungen. Man befürchtete, daß es den andringenden Fluten einen siegreichen Widerstand nicht würde entgegensetzen können.
Im oberen Geschoß wohnte eine Witwe mit ihren Kindern. Ihr Sohn, Wilhelm Louis Köhler, nahm seine 5 1/2 jährige Schwester Emma Hulda und wollte die letztere und hernach die übrigen Geschwister
mit der Mutter retten. Kaum hatte er mit dem Kinde die Haustürschwelle überschritten, so kam eine Welle und spülte ihn hinweg. Die Leiche der Schwester wurde am Ende des Dorfes aufgefunden, die
des Bruders war bis zu einer dreiviertel Stunde unterhalb der Wohnung gelegenen Schneidemühle getrieben worden; von der Gewalt des Wassers kann man sich eine Vorstellung machen, wenn an hört, daß
ihm sämtliche Kleidungsstücke abgerissen waren, nur die Stiefel hatte er noch an den Füßen."
"Friedrich Wilhelm Weber, ein Strumpfwirkermeister, 51 Jahre alt, hatte eine Vereinssitzung im Lehngerichte beigewohnt. Mitten im Wetter wollte er sich nach Hause begeben. Aber kaum hatte er
die Dorfstraße erreicht, so nötigte ihn die Flut, im Hause des Schornsteinfegermeisters Schubert seine Zuflucht zu suchen. daselbst weilte er ungefähr eine 3/4 Stunde. Als auch dieses Haus auf
das Äußerste bedroht war, verläßt er dasselbe, um anderwärts Rettung zu suchen. Aber beim ersten Schritte über die Schwelle reißt ihn die Flut mit hinweg, er erfaßt einen Baum, hält sich fest und
ruft um Hilfe. Sein Ruf wurde vernommen von Bewohnern des gegenüberlirgenden Hauses. Diese halten Laternen hinaus, verhießen ihm schleunige Hilfe und baten ihn, auszuhalten. Sein Rufen verstummte
und späterhin fand man ihn nicht weit von dem Baume als Leiche"