Das Kemtauer Lehngericht und die Lehnrichterfamilie Wieland

von Roland Kunick

Einleitung

Bis zum Inkrafttreten der Landgemeindeordnung im Jahr 1839 übte das Amt des Kemtauer Dorfrichters immer der Besitzer des Gerichtguts aus. Dieses Gut wurde ab dem Jahr 1654 als Lehngericht bezeichnet, ein Begriff der bis heute erhalten geblieben ist. Das Lehngericht liegt über allen Gütern und Häusern und war mit einem ganzen Lehn gleichzeitig das größte Gut in Kemtau.

Im ersten Abschnitt wird das Kemtauer Lehngericht als Bestandteil der Einsiedelschen Gerichtsherrschaft und der Aufbau des Gerichts erklärt. Der zweite Abschnitt befasst sich mit den Pflichten des Dorfrichters und der Gerichtschöppen. Im dritten Abschnitt werden die Vorteile des Dorfrichters sowie das Lehngericht als Schänke dargestellt. Der vierte Abschnitt geht auf die Kemtauer Dorfrichter ein, während im fünften Abschnitt ein Ausblick auf die Zeit nach der Landgemeindeordnung gegeben wird. 

Das Kemtauer Lehngericht als Bestandteil der Einsiedelschen Gerichtsherrschaft und der Aufbau des Gerichts

Das Kemtauer Lehngericht gehörte zu den Adelig Einsiedelschen Gerichten zu Weißbach mit Dittersdorf, einem Patrimonialgericht. Diese Gerichtsbarkeit kommt von Patrimonium, Eigentum. Die Gerichtsbarkeit war mit dem Lehnbesitz der Familie von Einsiedel, zu dem auch Kemtau gehörte, verbunden.

Die Patrimonial-Gerichtsbarkeit betraf die bürgerlichen Angelegenheiten und wurde bürgerliche (Zivil-) Gerichtsbarkeit oder auch Niedergerichtsbarkeit genannt. Die Zivil-Gerichtsbarkeit betraf entweder freiwillige Geschäfte und Verträge oder Streitigkeiten. Zur Zivil-Gerichtsbarkeit gehörten auch kleinere Vergehungen, welche nicht zu den Obergerichten gerechnet werden. Zu den Patrimonialgerichten gehörte ebenfalls die Obrigkeit in Polizeisachen. Die Gerichte waren zuständig für die Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung. Die Obergerichtsbarkeit hingegen lag bei den Ämtern; sie befasste sich nur mit den schweren Strafsachen und wurde als peinliche (Criminal-) Gerichtsbarkeit bezeichnet. Die Gesetzgebung stand nur den Fürsten zu.

Das Patrimonialgericht bestand aus einem Richter und den Gerichtspersonen aus den Orten des Lehnbesitzes der Familie von Einsiedel. Im 17. Jahrhundert hatte der Gerichtsherr Heinrich Hildebrandt von Einsiedel das Amt des Richters noch selbst ausgeübt. Ab dem 18. Jahrhundert übertrug der Gerichtsherr das Richteramt auf einen von ihm bestellten Juristen. Die Gerichtspersonen waren der Dorfrichter, dem jeweils zwei Gerichtschöppen zugeordnet waren. Zwischen dem Amt des Dorfrichters und der Gerichtschöppen bestand dabei kein Unterschied; sie wurden auf einerlei Art vereidet und verwalteten einerlei Amt. Der Dorfrichter war der Anführer der Gerichtspersonen. Die folgende Grafik veranschaulicht den Aufbau des Einsiedelschen Patrimonialgerichts.

Der damalige Einfluss der Gerichtsherrschaft auf die Gemeindeangelegenheiten tritt besonders wirksam dadurch hervor, dass sie bei der Vertreterschaft der Gemeinde mitwirkte, die Gerichtspersonen in die Pflicht nahm und zugleich in ihrem Dienste innerhalb des Ortes verwendete (vgl. Abschnitt 2). Die Gerichtspersonen verwalteten ein öffentliches Amt und wurden bei ihrer Annahme vereidigt. Über eine solche Vereidigung berichtet uns ein Pflichtschein, der Adolph Ferdinand Wieland im Jahr 1837 von den Einsiedelschen Gerichten ausgestellt wurde. Dem neuen Dorfrichter wurden in der sogenannten Pflichtvorhaltung seine Pflichten vorgelesen und er musste sich anschließend mittels Eidesformel zu ihnen bekennen.

Die Pflichten des Dorfrichters und der Gerichtschöppen

Das Beisitzeramt

Die Gerichtspersonen waren vornämlich Beisitzer des Gerichts. Sie hatten keine Stimme bei den Beschlüssen des Richters und hatten noch weniger ein richterliches Amt oder Gerichtsbarkeit. Sie waren bloße Zuhörer; daher sie auch stumme Schöppen genannt wurden. Ihr Amt bestand darin, dass sie auf alles, was in ihrem Beisein vor Gerichte verhandelt und untersucht wurde, dergestalt, dass sie den eigentlichen Vorgang der Sachen jedes Mal auf Nachfrage eidlich bestärken konnten, Acht hatten, und die über die Untersuchungen und Handlungen aufgenommenen Protokolle, wenn sie dem wahren Hergange der Sache gemäß abgefasst, und Ihnen sowohl als auch den Interessenten vorher vorgelesen worden sind, mit unterschrieben. Sie waren in so fern gleichfalls des Richters Zeugen. 

Wenn es darum ging, einen Handel oder Vertrag abzuschließen, wenn etwa ein Bauerngut verkauft werden sollte, so war das Lehngericht zuständig. Der Dorfrichter und die geschworenen Schöppen kannten genau die Besitzverhältnisse im Dorf, wussten wo die Grenzen eines jeden Gehöftes verliefen, wo die Raine und Steine zu liegen hatten, sie kannten die Weg- und Wasserrechte und alle sonstigen Gerechtigkeiten, kannten die Regeln nach denen ein Erbe zu teilen war, wussten welche Zinsen und Dienste zu leisten waren und was sonst im Dorf rechtens ist. Die Gerichtspersonen nahmen Kontrakte aller Art, als: Käufe, Schenkungen, Täusche, Schuld- und Pfandverschreibungen, an, ferner: Quittungen, Verzichte und dergleichen. Sie hatten dabei nichts zu tun, als zu bezeugen, dass die Handlung in ihrer Gegenwart vorgegangen ist, und sie dann dem Richter anzuzeigen. Dem Richter oblag die gerichtliche Konfirmation der von den Dorfgerichten übergebenen Verträge. Erst dadurch wurden die Verträge usw. zu gerichtlichen Dokumenten.

Die Gerichtspersonen bestellten zu den vorhabenden Handlungen Geschlechtsvormünder. Zu erwähnen ist, dass es bis ins 18. Jahrhundert hinein nicht üblich war, dass Frauen vor Gericht erschienen sind. Denn beim Verkauf nachgelassener Güter, wurden nicht nur die nicht volljährigen Kinder sondern auch die Witwen und die verheirateten Töchter durch männliche Vormunde bzw. Kuratoren vertreten; die Töchter wurden durch ihre Ehemänner vertreten. Später hat sich das geändert. So schreibt Wachsmuth im Jahr 1808, dass Eheweiber bei Zufriedenheit des Ehemannes vor Gericht bestellt werden können.

Die im Lehngericht Kemtau abgeschlossenen Verträge wurden im Gerichtsbuch, später im Kaufbuch, durch den Gerichtsschreiber festgehalten. Gerichtsschreiber war der Schulmeister von Weißbach. Das älteste erhaltene Kemtauer Gerichtsbuch wurde am 16. Juni 1674 angelegt. Gleichwohl es einen Gerichtsschreiber gab, bemerkt Wachsmuth, dass Gerichtspersonen schlechterdings schreiben und Geschriebenes lesen können müssen.

Die Gerichtspersonen sind übrigens zu unterscheiden vom Gemeinmann, der später auch Gemeindevorsteher genannt wurde. Der Gemeindevorsteher war für die Angelegenheiten des Dorfes: Einnahmen und Ausgaben, auch wohl Dienste und Abgaben, welche überhaupt von der Gemeinde verlangt wurden, zuständig und führte das Gemeindesiegel. Bei der alljährlichen Rechnungslegung der Gemeinde waren der Gemeindevorsteher, der Dorfrichter, die Schöppen und der Gerichtsschreiber anwesend.

Die Lokalpolizei

Die Dorfgerichtspersonen hatten neben dem Beisitzeramt vielfache Pflichten auf dem Gebiet der Verwaltung, der „Lokalpolizei“.

Ihnen war allgemein die Erhaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Ort auferlegt. Dabei durften und mussten sie in ihren Wohnorten polizeiwidrige Handlungen verbieten und verhindern, Verbrecher in Haft nehmen sowie die vorgefallenen Unordnungen und Vergehungen dem Richter anzeigen. In einzelnen Fällen konnten sie vom Richter den Auftrag zur Vollziehung von Gefängnis- oder Leibesstrafen, Auspfändungen usw. erhalten.

Im einzelnen waren sie verantwortlich für das Verhüten der Feuergefahr, Leiten der Feuerabwehr, Aufsicht auf Wege, Wassergräben, Grenzen usw., über Maße und Gewichte, über Hundehalten, über die Tag- und Nachtwachen, über die Schänken, die Beobachtung der Sonntagsfeier, weiter die Aufnahme fremder Personen, Versorgung einheimischer Armer, Leichenbeerdigung u.a. mehr. 

Den Gerichtspersonen stand auch die Bekanntgabe neuer Landesgesetze und Gerichtsverordnungen zu. Z.B. erfolgte im Jahr 1683 der „Anschlag der Steuerschock auf Churfürstlich Sächsischen Befehl im Lehngericht Kemtau unter Beisein des Dorfrichters und der Gerichtschöppen“. Ferner mussten sie Verzeichnisse der Personen, wegen der Personensteuer, Verzeichnisse des Ernte-Ertrags usw. erbringen.

Dem Dorfrichter und den Gerichtschöppen gebührte in ihrem Wohnorte von Seiten der Dorfnachbarn vorzügliche Achtung und in Ansehung der ihnen von dem Gerichtsherrn aufgetragenen Polizeiaufsicht Folgsamkeit.

Der Steuereinnehmer

Die Kemtauer Dorfrichter waren gleichzeitig „Accis- und Steuereinnehmer“ des Ortes. Zu diesem Amt wurden sie ebenfalls vereidigt. Johann Adolph Wieland war zudem Einsiedelscher Obersteuereinnehmer.

Die Vorteile des Dorfrichters und das Kemtauer Lehngericht als Schänke

Die Vorteile des Dorfrichters

Da die Gerichtspersonen dem Gerichtsherrn in Ausübung seiner Gerichtsbarkeit Beistand leisteten, so war derselbe auch verbunden, sie dafür zu besolden. Ausgenommen, wenn ein solches Amt mit dem Besitz eines Gutes verknüpft gewesen ist, wie es beim Kemtauer Lehngericht der Fall war. Der Kemtauer Dorfrichter wurde nicht besoldet, hatte dafür aber gewisse Vorteile.

Ein erster großer Vorteil des Richterguts gegenüber den anderen Bauerngütern war, dass es frei von Erbzinsen, Frongeldern und Frondiensten war. Im „Erbregister des Guths Weißbach-Dittersdorf und der dazugehörigen Dörfer“ aus dem Jahr 1699 heißt es:

Bauer Hannß Wieland, der Richter Besitzet ein freies Mann-Lehn-Richterguth nach 1. gantzen Lehn, vergiebt 90 Schock davon itzo nur 65 gangbar. Ist im übrigen von Zinsen und Diensten frei, außer 5 Groschen Michaelis-Kasse, oder Breth-Mühlen-Zinß. Muß aber, so offt das Lehn zu Fall kombt, und entweder der Lehn-Mann oder der Herr verstirbt, oder sonst verändert wird dasselbe, jedesmahl mit 25 Gulden Lehn-Geld wieder lösen, ohne die Gebühr vor den Lehnbrieff.

Ein zweiter Vorteil des Dorfrichters war die Befreiung vom Heeresdienst.

Der dritte Vorteil des Dorfrichters stellte sich in Form von Gerechtigkeiten dar. Beim Lehngerichtskauf des Adolph Ferdinand Wieland im Jahr 1835 heißt es dazu:

...mit der auf eben demselben ruhenden Brauerei, der Gerechtigkeit zum Schänken, Beherbergen, Gastirei, Music und Tanze halten, mit dem Realbefugnis zum Branntweinbrennen ...

Das Kemtauer Lehngericht als Schänke

Das Kemtauer Lehngericht war auch Brauerei, Brennerei und Schänke des Ortes.

Eigentlich durften Gerichtspersonen gar keine Gastwirte und Schänken sein, wegen der ihnen über dieselben aufgetragenen Polizeiaufsicht. Für Erbrichter, die zugleich Schänken waren, gab es jedoch eine Ausnahme.

Über den Zustand des zum Lehngericht gehörigen Brauhauses und der „Stuben“ erfahren wir in den Kaufverträgen folgendes:

  • Im Jahr 1673 „... ein Brauhause welches aber sehr abgenutzet, ferner in der Stuben, Eine Büchs zum Haußgewehr, drey gute und zwei geringe Tische, zwey gute Stühl, eine alte Siedel, ...
  • Im Jahr 1710 heißt es „... sambt allen befindlichen Dingen in dem Brauhausse, ingleich 3 guten und 2 geringen Tischen, auch Einer Siedel in der Stuben, ...
  • Im Kaufvertrag vom Jahr 1756 heißt es zu den Eltern des Käufers: „... wozu ihnen auf ihre Lebens Zeit der ganze Oberstock in dem neu erbauten Bräur Häußel, als Stube, Cammer und Böden zur ihrer Bequemlichkeit nach erfolgter Übergabe vom Käuffer eingeräumet werden sollen ...
  • Im Kaufvertrag des Lehngerichts vom Jahr 1835 steht geschrieben „... bey der in guten Stande befindlichen Brauerey und Brennerey, einschließlich der Malzdarre ...“. Der Auszügler Johann Adolph Wieland bekam gemäß Kaufvertrag  „... von jedem Gebräude Bier und sofern nicht alle 14 Tage gebrauet werde alle 14. Tage eine Viertels Tonne Bier ...“. Damals hatte der Fleischerhauer-Meister Geißler die Schänke gepachtet.

Auf das Bier mussten Trancksteuern bezahlt werden. Mit der Zeit hatten sich diese Steuern im Lehngericht zu riesigen Beträgen aufsummiert. Als Christoph Wieland im Jahr 1722 das Lehngericht erwarb, standen noch 116 Gulden alte zurückgebliebene Trancksteuern, die teilweise noch aus seines Großvaters Zeiten stammten, aus. 

Im Jahr 1840 ließ Adolph Ferdinand Wieland den Kemtauer Gasthof erbauen; vier Jahre später entfiel für den Gasthof die Bedingung des Bierholens aus der Erblehngerichtsbrauerei.

Die Dorfrichter

Folgende Kemtauer Dorfrichter werden genannt:

1.) Peter Puschmann (1529-1551)

2.) Georg Puschmann (1553-1571)

3.) Tomas Hoffman (1603-1605)

4.) Georg Uhlich (1607-1621)

5.) Wolff Uhlich (1621-1637)

6.) Christoph Wieland (1637-1673)

7.) Johann Wieland (1673-1710)

8.) Christoph Wieland (1710-1713)

9.) Michael Uhlich als Vize-Richter (1713-1722)

10.) Johann Christoph Wieland (1722-1756)

11.) Johann Christoph Wieland  (1756-1795)

12.) Johann Christoph August Wieland (1795)

13.) Johann Adolph Wieland (1795-1835)

14.) Adolph Ferdinand Wieland (1835-1848)

Die erbliche Belehnung der Familie Wieland

Bis zur Mitte des 17. Jahrhundert wurde der Dorfrichter als Richter bezeichnet. Danach konnte Christoph Wieland die erbliche Belehnung des Gerichts erwirken, denn ab dem Jahr 1654 werden die Wielands als Erb- und Lehnrichter von Kemtau bezeichnet. Seit dieser Zeit wird das Kemtauer Gericht auch Erblehngericht bzw. Lehngericht genannt. Das Lehn musste jedes Mal bei Tod des Herrn oder des Lehn-Manns mit 25 Gulden Lehn-Geld ausgelöst werden.

Die Lehnrichterfamilie Wieland und ihr Besitz

Die Familie Wieland hatte das Lehngericht über 200 Jahre in ihrem Besitz. Das Lehngericht war mit einem ganzen Lehn (einer Hufe) gleichzeitig das größte Gut in Kemtau (die anderen acht Bauern besaßen zusammen 4 1/2 Lehn). Mit der Zeit wurde der Besitz der Wielands immer größer; als der Wielandsche Besitz im Jahr 1848 versteigert wurde, besaß Adolph Ferdinand Wieland mit ca. 2 ¾ Hufen Land die Hälfte der ehemals neun Bauerngüter in Kemtau! Im folgenden wird ein kurzer chronologischer Überblick über die Wielandschen Erb- und Lehnrichter und ihren Besitz gegeben. Zur Erbfolge der Lehngerichts ist zu bemerken, dass es hierbei keine feste Regel gab; im Gegensatz dazu war bei den Kemtauer Bauerngütern meistens der jüngste Sohn der Erbe des Gutes. 

Christoph Wieland (1606-1673), der aus Gelenau zuzog, wird im Jahr 1637 als "neuer Wirth zur Kemta" bezeichnet. Er war ein Urenkel Blasius Wielands, des ersten ev. Pfarrers (1539-1573) in Gelenau. Er erwirbt das Richtergut samt dem wüsten Gut, das auch als niederes Gut bezeichnet wird. Christoph Wieland wurde von Heinrich Hildebrandt von Einsiedel belehnt. Im Jahr 1654 wurde er erstmals als Lehnrichter, 1655 als Erbrichter und 1656 als Erb- und Lehnrichter bezeichnet. 

Aus der Urkunde von 1654
Aus der Urkunde von 1654

Im Jahr 1673 heißt es in seinem Sterbeeintrag des Kirchenbuchs: „... welchen am 28. April 1673 zu Mittage übern Essen der Schlag gerühret, daß er in einem Augenblick tod blieben ...“.

Johann Wieland (1643-1722) stammte als zweiter Sohn aus der zweiten Ehe seines Vaters Christoph und erwarb im Jahr 1673 das Erblehngericht von den Erben seines Vaters für 825 Gulden. Im Kaufvertrag steht zum Inventar „... ein alter Backöfel sambt allen befindlichen Dingen, ein Brauhause welches aber sehr abgenutzet, ferner in der Stuben, Eine Büchs zum Haußgewehr, drey gute und zwei geringe Tische, zwey gute Stühl, eine alte Siedel, ...“

Am 16. Juni 1674 wurde im Kemtauer Lehngericht das älteste, noch heute erhaltene Gerichtsbuch des Ortes angelegt. In dem Buch wurden Kaufverträge festgehalten. Im folgenden befindet sich eine Reproduktion der ersten Seite.

Im Jahr 1683 erfolgte im Lehngericht Kemtau der „Anschlag der Steuerschock auf Churfürstlich Sächsischen Befehl ... In Gegenwart des Richters Hanß Wielands, Andreas Rüdels und Hans Haasen - Gerichtschöppen“.

Im „Erbregister des Guths Weißbach-Dittersdorf und der dazugehörigen Dörfer“ aus dem Jahr 1699 heißt es: „Bauer Hannß Wieland, der Richter

Besitzet ein freies Mann-Lehn-Richterguth nach 1. gantzen Lehn, vergiebt 90 Schock davon itzo nur 65 gangbar. Ist im übrigen von Zinsen und Diensten frei, außer 5 Groschen Michaelis-Kasse, oder Breth-Mühlen-Zinß. Muß aber, so offt das Lehn zu Fall kombt, und entweder der Lehn-Mann oder der Herr verstirbt, oder sonst verändert wird dasselbe, jedesmahl mit 25 Gulden Lehn-Geld wieder lösen, ohne die Gebühr vor den Lehnbrieff.“

Beim Verkauf des Lehngerichts im Jahr 1710 an seinen einzigen Sohn Christoph Wieland (1676-1713) für 800 Gulden enthält der Vertrag folgendes Versprechen des Sohnes: „Es verspricht auch der Käuffer dem Vater alle Tage Eine Kanne Bier, und jede Woche ein Näsel Butter beydes ohne Entgeld, nebst sonsten Einem Essen am Tische damit er der Vater kann zufrieden Seyn. Der Vater soll auch alle Jahre von einen weinsauren Apfelbaum die Früchte bekommen, wenn was drauf wächst.“ Christoph Wieland starb im Jahr 1710 im frühen Alter von 34 Jahren. Anschließend war das Lehngericht im Besitz der Witwe Anna Regina und ihrer acht Kinder; das Amt des Dorfrichters wurde bis zum Jahr 1722 durch den Vice-Richter Michael Uhlich ausgeübt.  

Im Jahr 1722 schließlich wurde der älteste Sohn Johann Christoph Wieland (1699-1760) neuer Erblehnrichter, indem er das nachgelassene Erblehngericht seines Vaters den Erben für 1.000 Gulden abkaufte. Bei diesem Kauf standen noch 116 Gulden rückständige Trancksteuern aus. Später kaufte er zum Erblehngericht die Auwiese dazu. Des weiteren erbaute er ein neues "Bräur Häußel", in deren Oberstube er nach Übergabe des Lehngerichts lebte.

Im Jahr 1756 verkaufte er das Lehngericht an seinen einzigen Sohn Johann Christoph Wieland (1729-1795) für 1.100 Gulden. Im Jahr 1774 erbauten Johann Christoph Wieland und Christoph Kreysig gemeinsam an der Zwönitz eine Schneidemühle. Diese Schneidemühle wurde im Jahr 1823 von Johann Samuel Kreysig an Karl Friedrich Schaarschmidt für 300 Reichstaler verkauft, der sie in ein Spinnfabrikgebäude umwandelte.

Im Jahr 1795 brach großes Leid im Lehngericht aus. Als Johann Christoph Wieland am 12.09.1795 das Erblehngericht an seinen ältesten Sohn Johann Christoph August Wieland (1765-1829) für 2.500 Gulden verkaufte, war er bereits unpässlich. Die Übergabe der Wirtschaft sollte im Januar 1796 erfolgen. Am 8. Oktober 1795 starb jedoch zuerst Johanna Sophia, am 30.10. folgte ihr Mann der Erb- und Lehnrichter Johann Christoph und schließlich am 16.11.1795 Johanna Dorothea, die Ehefrau des jungen Erb- und Lehnrichters Johann Christoph August Wieland. Unter diesen traurigen Umständen vollzog sich der Lehngerichtswechsel am 21.12.1795. Johann Christoph August - „nach einer ausgestanden harten Krankheit annoch schwach und an Gerichtsstelle zu erscheinen unvermögend sey“ - verkauft seinem jüngsten Bruder, dem 22-jährigen Johann Adolph Wieland, gewesenen Heiducks, das Erblehngericht für 2.400 Gulden.

Johann Adolph Wieland (1773-1855)  der jüngste Sohn und gewesener Heiduck (Bediensteter in ungarischer Uniform) erwarb am 21.12.1795 von seinem Bruder Johann Christoph August das Erblehngericht für 2.400 Gulden. Bei diesem Kauf hat sich der Justitiario auf Bitte des Verkäufers nach Kemtau verfügt, „weil er (der Verkäufer) von einer ausgestandenen harten Krankheit noch schwach und an Gerichtsstelle zu erscheinen unvermögend sey.“  So hat sich der Justitiarius „in das Lehngericht zu Kemtau, und zwar in die über dem Brauhause befindliche, mit 4 Fenstern versehene sogenannte Auszugs Stube verfüget, alwo in Gegenwart der beyden Schöppen Christoph Helbigs und Johann Gottfried Kuntzens vor Uns erschienen sind die beiden Kontrahenten ...“. 

Neben den Ämtern des Dorfrichters und des Accis- und Steuereinnehmers von Kemtau war er zudem Einsiedelscher Obersteuereinnehmer. Johann Adolph Wieland führte das Lehngericht zu seiner Blütezeit. 

Im Jahr 1796 überlässt Johann Adolph Wieland 9 Hausgrundstücke und dazugehörige Erbpachtwiesen vom niederen Gut gegen je 4 Taler Erbzins und durchschnittlich 2 Metzen Wiese für je 1 Taler Zins. Kurze Zeit später besitzen die meisten Häusler auch noch 1 ¼ Scheffel Feld. Die Häuser befinden sich an der Straße „Am Hang“. Die Überlassung der Hausgrundstücke war der Anfang eines beträchtlichen Bevölkerungswachstums in Kemtau. Der bis dahin bäuerlich geprägte Ort mit 9 Gütern und 10 Häusern entwickelte sich Anfang des 19. Jahrhunderts rasch zu einem Strumpfwirker-Dorf. 

Bei der alljährlichen Rechnungslegung der Gemeinde waren der Gemeindevorsteher, der Dorfrichter, die Schöppen und der Gerichtsschreiber anwesend. Im Jahr 1804 heißt es: „Gemeinde Rechnung zu Kemtau durch deren Vorsteher Christian Kunzen allhier berechnet und in Beyseyn derer resp. Lokal Gerichtspersonen Titl. Herr Johann Adolph Wielands – Erb Lehn Richters – Johann August Beckerts und Johann Christoph Arnolds, beiderseits Gerichtsschöppen allda übergeben auf das Jahr 1805.“

Im Jahr 1808 kauft Johann Adolph Wieland von Christian Kunze das neben dem Lehngericht befindliche ½-Hufengut für 1.820 Taler; das Gutshaus existiert heute nicht mehr.

Der einzige im Volltext erhaltene Lehnbrief ist der des Lehnrichters Johann Adolph Wieland zu Kemtau, Dittersdorf, 28. Januar 1808. In ihm belehnt Curd Heinrich von Einsiedel Johann Adolph Wieland mit dem Mannlehn als Bestätigung der Wieland-Lehngerichtstätigkeit: „Da ich nun diesem seinem geziemenden Bitten nicht entstehen wollen, so habe Ich von Erblehn und Gerichtsherrschafts wegen ihm, gedachten Johann Adolph Wieland, nachfolgende Güther zu rechtem Mann Lehen gereichet und geliehen. Reiche und leihe auch hiermit Kraft dieses offenen Briefes ihm und allen seinen männlichen, ehelich geborenen Leibes

Lehns Erben, nochmals das freie Mannlehnrichterguth zu Kemtau, ... mit allen und jeden hergebrachten Freyheiten, besonders dem Brau- und Schenkrecht ... Folge thun, und sich dergestalt verhalten solle, als es dieses Mannlehnguthes altes Herkommen Recht und Gewohnheit ist, auch einen treuen Lehnmann und Unterthanen eignet und gebühret; Alles treulich und

sonder Gefährde.“

Nachfolgend ist eine Reproduktion des Lehnbriefs für Johann Adolph Wieland dargestellt:

Aus der Burkhardtsdorfer Leichenpredigten des Jahres 1840 erfahren wir über seine Ehefrau Eva Maria Carolina Wieland, geb. Eckardt, Erb- und Lehnrichtertochter aus Burkhardtsdorf folgendes:

„Fr. Eva Maria Carol. verehel. Wieland wurde hier geboren den 3 Jan. 1776. Ihre Aeltern waren H. Carl Aug. Eckhardt Erb- u. Lehnrichter allh. u. dessen Ehefrau Eva Maria, geb. Wolfin. Den 2 ten Febr. empfing das Kind d. h. Taufe u. die Namen: Eva Maria Carol. Die Taufp. waren ....

Von Geburt an erfreute sich d. Kind einer guten Gesdht. u. genoss bei s. Aeltern eine ihrem Stande angemessene Erziehg. Ein höchst beklagenswerthes Ungl. machte die Tochter zur vaterlosen Waise, indem ihr Vater an einer Schußwunde seiner Familie frühzeitig entrißen wurde*). Unter der mütterl. Pflege u. Sorgf. fand d. Kind ein muntres u. kräftiges Gedeihen. Vom 5 bis zum 14 J. besuchte sie die hiesige Schule u. verließ dieselbe bei ihrer Confirm. wohlgebildet am Güte u. Herz. Als erwachsene Jgfrau war sie ihrer Mutter thätige u. umsichtige Gehilfin in d. Wirthsch. u. wohlvorbereitet in hsl. u. wirthschaftl. Angelegenheiten konnte sie in ihrem 22 Lebensjahre das ehel. Leben beginnen. Sie vereh. sich mit ihrem hinterl. Ehegatten H. Johann Adolph Wieland, Erb-Lehnrichter zu Kemtau, mit welchem sie in d. hiesigen Kirche 1798 getr. wurde. Ihr Ehestand war gesegnet mit 10 Kindern, wovon 5 gestorben u. noch 5 Söhne am Leben sind. Der älteste Sohn ist ...

Wie sie ist in ihrem ehel. Verhältniß als Gattin, Mutter u. Wthschafterin auf die meisterhafteste Weise benommen hat, wie es ihr Freude war, den Armen Gutes zu thun u. sie gg. Jederman liebv., freundl. u. friedfertig zu begegnen u. wie ihr ganzes Leben d. schönste Zeugniß von ihrer Religiosität ablege, das eben wie bereits vorhin gehört. Ihr Mutterherz wurde schmerzl. berührt dch. d. Tod mehrerer Kinder, am meisten aber durch d. Tod ihr. gel. Tochter, die 14 J. alt noch vor ihrer Confirm. ihr entrißen wurde.  

Leider war d. Leben der Verst. in den letzten Jahren ein schweres Prüfungsleben. Schon vor 20 J. nahm ihre Krankh. d. Anfang, doch konnte sie noch wiewohl unter großen Beschwerden ihrer Wthsch. vorstehen. ....       Verg. Sonnabd. entschlief sie sanft u. ruhig, nachdem sie ihr Leben auf 64 J. 11 M. 23 T. u. ihren Ehestand auf fast 44 J. gebr. hat.

Der Kirche 1 Tlr vermacht.

 

*) Anmerkung aus dem Sterbeeintrag KB  Burkhardtsdorf 1781/29

"Vierzehn Tage vor seinem Ende schoß er sich in seinen rechten Arm. Er wollte das Wasser in die Stube leiten und hatte einen alten Flintenlauf, in welchem unglücklicherweise ein Schuß von gehacktem Bley verborgen war, ohngeachtet er konnte 30 Jahre gelegen haben. Und weil die Pulsader verletzet war: so verblutete er.“

Nach der Zwangsversteigerung des Kemtauer Lehngerichts im Jahr 1848 ging Johann Adolph Wieland nach Zöblitz, wo zwei seiner Söhne lebten und verstarb dort am 22.01.1855.

Adolph Ferdinand Wieland (1812-1873), der vierte Sohn, kaufte im Jahr 1835 den Besitz seines Vaters Johann Adolph für 10.000 Taler. Über den damaligen hohen Lebensstandard des Dorfrichters berichtet uns der Lehngerichts-Kaufvertrag aus dem Jahr 1835, in dem Johann Adolph Wieland gegenüber seinem Sohn Adolph Ferdinand eine Reihe von Ansprüchen festlegte, folgendes:

„... Abkäufer hat ein junges Schwein, das Verkäufer selbst anschaft, bis es fünf Stein schwer ist zu mästen. Von den für die Hauswirthschaft zu schlachtenden Kälbern eine Vorder oder Hinterviertel nach Verkäufers Wahl. Neun Pfund Rindfleisch jedesmahl zu Pfingsten, -zwey Schock Hünereyer in der Jahreszeit, da es Verkäufer verlangen wird. Ein Schock Kuhkäse. Ein Schock Krauthäupter, oder statt deren nach Verkäufers Wahl 8 gr. Der vierte Theil von allem erbauten Obste.

Ferner soll dem Verkäufer zukommen ein halbes Pfund Wurst von jedem geschlachteten Schweine. Wöchentlich ein 6 pfündiges Kornbrod, sowie eine Kanne Butter. Täglich eine Kanne Milch und eine halbe Kanne guten Rahm, das benöthigte Bettstroh; von jedem Gebräude Bier und sofern nicht alle 14 Tage gebrauet werde alle 14. Tage eine Viertels Tonne Bier; Kartoffeln soviel Verkäufer für sich, seine Ehefrau und den Dienstbothen braucht.

Abkäufer muß den Verkäufer, so alß letzterer will mit seinen Pferden und Wagen in die Kirche fahren lassen, er muß ihn auch damit zu seinen anderen Kindern und anderen Befreundeten auf jedesmaliges Verlangen damit fahren lassen und den Kutscher dazu hergeben. Ferner hat Abkäufer den Verkäufer auf jedesmaliges Verlangen, wenn er aus oder über Land reiten will, von seinen Pferden eines gesattelt zu stellen und zunächst reserviert sich Verkäufer das jetzt vorhandene Reitpferd, den schwarzen Wallach, den Abkäufer ohne Verkäufers Genehmigung nicht veräußern darf. ...“

Im Kaufvertrag vom Jahr 1835 steht zu seinen Pflichten „... auf dem Lehngerichte ruhenden Richter und Orts Steuer Einnehmer Amte ...“ und zu seinen Gerechtigkeiten: „...mit der auf eben demselben ruhenden Brauerei, der Gerechtigkeit zum Schänken, Beherbergen, Gastirei, Music und Tanze halten, mit dem Realbefugnis zum Branntweinbrennen ...“. Brauerei und Brennerei befanden sich damals in einem gutem Zustand.

Die Lehnrichter verwalteten als Gerichtspersonen ein öffentliches Amt und wurden bei ihrer Annahme vereidigt. Über eine solche Vereidigung berichtet uns der Pflichtschein, der Adolph Ferdinand Wieland im Jahr 1837 von den Einsiedelschen Gerichten ausgestellt wurde.

Pflichtvorhaltung

Nachdem Herr Wieland bei den hiesigen Gerichten als Richter des Dorfes und der Gemeinde Kemtau genannt und bestellet werden soll, so hat derselbe zuvörderst zu gereden und zu geloben, dass er dieses Amt mit schuldiger Treue und gebührenden Fleiße zu verwalten, auf gute Ordnung in der Gemeinde besagten Dorfs halten, die ihn bekannt werdenden Begünstigungen und Verbrechen zu Untersuchung und Bestrafung gebührend anzeigen, jedoch hierbey auch sonst Niemanden über die Gebühr beschweren, den hiesigen Gerichten bey Handhabung und Ausübung der Polizei- und Justizpflege, sowohl in Civil- als auch in vorkommenden peinlichen Fällen, jederzeit, so viel an ihm ist, willig und Nachdem am untenbemerkten Tag 

Herrn Lehngerichtsbesitzer

Adolph Ferdinand Wieland zu Kemtau

mittelst nachgeschriebener Pflichtvorhaltung und des darunter befindlichen Eides, welchen er nach vorhergegangener Verwarnung, keinen Meineid zu begehen und sich vor dessen schweren Strafe zu hüthen, unter Beobachtung der gewöhnlichen Feierlichkeiten, abgelegt hat, als Dorfrichter in Kemtau in Pflicht genommen worden ist, so wird hierüber gegenwärtiger 

Pflicht-Schein 

unter Gerichtshand ausgestellt.

Hof Dittersdorf, am 26ten Mai 1837,

Adelig Einsiedelschen Gerichte zu Weißbach mit Dittersdorf

Friedrich Wenzel

Adolph Ferdinand war 4 Jahre Erb- und Lehnrichter und wurde nach der Landgemeindeordnung vom Jahr 1838 ehrenamtlicher Lehnrichter und im Jahr 1839 vom Gemeinderat zum ersten Gemeindevorstand Kemtaus gewählt. 

Adolph Ferdinand spekulierte in Kemtau mit Grundstücken und Gebäuden. Im Jahr 1840 kaufte er ein Haus für 500 Taler und ließ auf dem Grundstück den Kemtauer Gasthof (Gelenauer Str. 24) erbauen. Im Jahr 1841 verkaufte er das Grundstück mit den beiden Häusern an seine Frau Auguste Friedericke, die es schließlich 1844 an Carl Gottlieb Lohs für 2.000 Taler weiterverkaufte. Im Jahr 1843 kaufte Adolph Ferdinand das Fickert Gut (1 Hufe), zwischen dem Gemeindeviehweg neben dem Richter und Michael Uhlich (Gelenauer Str. 40) gelegen für 9.000 Taler; das Gutshaus existiert heute nicht mehr. Im gleichen Jahr kaufte er von Johann Gotthilf Lohses ½-Hufengut (Gelenauer Str. 65) 2/3 der Felder (über 30 Acker) für 2.000 Taler, 1844 verkaufte er diesem 6 Acker des Fickert Gutes für 400 Taler. Nach diesen Zukäufen besitzt Adolph Ferdinand mit ca. 2 ¾ Hufen Land die Hälfte der ehemals neun Bauerngüter in Kemtau!

Es zeigt sich, dass er sich mit diesen Grundstückskäufen übernommen hatte. Bereits im Jahr 1844 wurde ein erster Prozess gegen ihn wegen nicht gezahlter Schuldzinsen geführt. In einem Schreiben des Advokaten Dr. Julius Volkmann an die Patrimonialgerichte zu Weißbach mit Dittersdorf heißt es: „... Herr Wieland, der sehr unerfahren in dergleichen Geschäften erscheint ...“. Der Besitz wurde damals auf mehr als 31.000 Thaler taxiert und damit bestand Sicherheit über eine höhere Hypothek. Im Jahr 1848 schließlich wurde der gesamte Besitz von Adolph Ferdinand Wieland wegen rückständiger Darlehenszinsen zwangsversteigert. Im Chemnitzer Anzeiger vom 22. Juli 1848 stand dazu das folgende Subhastationspatent:

„Ausgeklagter Schulden halber soll mit nothwendiger Subhastation der dem Erblehnrichter Adolph Ferdinand Wieland in Kemtau zugehörigen Grundstücke:

1) des Erblehnrichterguthes Nr. 1 des Katasters

2) des sogenannten Kunz’schen Halbhufenguthes Nr. 2 d. Cat.

3) des sogenannten Niezold’schen Guthes Nr. 49 des Catasters

4) des sogenannten Lohs’schen Avulsum, einem walzendem Grundstücke von 30 Acker 131 QRuten Areal,

auf welchen Grundstücken zusammengenommen bei einem Gesamtflächeninhalte von 253 Acker 174 QR. Nach dem Flurbuche, 3258,72 Steuereinheiten haften und welche ohne Berücksichtigung eines Auszugs und der sonstigen dinglichen Oblasten Gerichtswegen auf 31.193 Thlr. 16 Rgr. Gewürdert worden sind, verfahren werden.

Zahlungsfähige Erstehungslustige werden damit hiermit aufgefordert, im anberaumten Subhastationstermin den Siebenundzwanzigsten September 1848, vormittags vor uns an Gerichtsstelle zu erscheinen, ihre Gebote zu eröffnen ....

Adelig Einsiedelsche Gerichte zu Weißbach mit Dittersdorf“

Am 27. September 1848 wurde der Besitz in Abwesenheit von Adolph Ferdinand Wieland, „... welcher dem Vernehmen nach in den Nordamerikanischen Freistaaten sich übergesiedelt hat ...“, für 16.000 Thaler versteigert. 

Im Jahr 1854 kehrte Adolph Ferdinand Wieland aus Amerika zurück und war Depositen- und Sportelnkontrolleur in Schwarzenberg, wo er nach dem Tod seiner Frau im Jahr 1857 eine zweite Ehe eingegangen ist.

Die Zeit nach der Landgemeindeordnung vom Jahr 1838

Am 7. November 1838 wurde in Sachsen die Landgemeindeordnung erlassen, die am 1. Mai 1839 in Kraft trat. Damit wurde ein Gemeindeleben mit einer geringen Selbstverwaltung geschaffen. Die männlichen Einwohner wählten den Gemeinderat und dieser dann den Gemeindevorsteher. Aber der hatte nur die reinen Verwaltungsgeschäfte zu erledigen. So durften z.B. ab dem Jahr 1839 sämtliche Gemeinderatsmitglieder an der jährlichen Rechnungslegung der Gemeinde teilnehmen und unterschreiben. Die Polizeigewalt lag weiter in den Händen des Lehnrichters. Im Jahr 1856 wurde dann die Patrimonialgerichtsbarkeit aufgehoben und vom Staat übernommen.

Luftbild des Lehngerichts und des Lehngutes vor 1980
Luftbild des Lehngerichts und des Lehngutes vor 1980

Frau Hofmann, heutige Besitzerin des Lehngerichtsgutes, teilte mit:

Das Anfang der 80-er Jahre abgerissene Haus war das Wohn- und Gerichtsgebäude. In den 50-er Jahren lebten hier 6 Familien. Vor 1920 wurde es auch als Gefängnis genutzt; dafür dienten die im Keller in die Wand eingelassenen Ringe als Beleg. 

Literatur und Quellen

  • Baumgärtel, Rudolf: Beiträge zur Heimat- und Ortsgeschichte von Kemtau, 1988
  • Buchwald, Georg: Die Matrikel des Hochstifts Merseburg 1469-1558, Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1926
  • Erler, Georg: Die Matrikel der Universität Leipzig,
  • I. Band: Die Immatrikulationen von 1409- 1559, Leipzig 1895,
  • II. Band: Die Promotionen von 1409- 1559, Leipzig 1897
  • Grünwald, Reinhold, Pfarrer a.D.: Sächsisches Pfarrerbuch – Die Parochien und Pfarrer der Ev.-luth. Landeskirche Sachsens (1539-1939). Im Auftrag des Pfarrervereins für Sachsen. II. Teil Die Pfarrer der Ev.-luth. Landeskirche Sachsens (1539-1939). Verlagsanstalt Ernst Mockisch, Freiburg 1940
  • Leßmüller, Gustav Friedrich, Ortschronist von Dorfchemnitz: Tagebuch
  • Ranfft, Jacobus: Peniger Kirchen-Chronik, Penig 1624
  • Steube, Karl-Werner, Manuskript eines Häuserbuchs der Stadt Plauen 1506-1844, 1966
  • Wuttke, Robert: Sächsische Volkskunde, G. Schönfeld, Dresden 1900

Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden (SHStA)

  • Landsteuerregister No. 298, 317, 324, 349, 390, 657, 1931 betreffend die Jahre 1529, 1542, 1546, 1551, 1553, 1571, 1603
  • Geheimer Rat (geheimes Archiv) Loc. 9874/36, Vergleich zwischen Christoph Wieland, Lehnrichtern zu Kempta und mehrern Einwohnern das., wegen Aufrichtung von Reyhöcken, 1654.
  • AG Chemnitz 
  • Nr. 368 Gerichtsbuch Kemtau 1674-1753
  • Nr. 369 Kaufbuch Kemtau 1759-1810
  • Nr. 184 Kaufbuch Kemtau 1749-1808
  • Nr. 185 Kaufbuch Kemtau 1808-1824
  • Nr. 186 Kaufbuch Kemtau 1825-1840
  • Nr. 187 Kaufbuch Kemtau 1841-1847.
  • Geheimes Finanzkollegium Rep. LIX C Repos Ia Bl. 110 Nr. 2305, Anschlag der Steuerschocke der zum Rittergut Weißbach gehörigen Unterthanen, 1683.
  • Geheimes Finanzkollegium Rep. XLVII Augustusburg 69a Loc. 37868, Erbregister des Rittergutes Weißbach mit Dittersdorf und derer dazu gehörigen Dorfschaften, 1699.
  • AG Chemnitz Nr. 5250 Lagerung, Acta in Klagsachen Königl. Sächs. hohes Kultusministerium versus Erblehnrichter Adolf Ferdinand Wieland wegen 7000 Thaler Consenscapital, 1844/45.
  • AG Chemnitz Nr. 5458 Lagerung, Acta in Rechtssachen Frau Alwine von Ampach in Grüna Klägerin wider Hrn. Erblehnrichter Adolph Ferdinand Wieland in Kemtau, Beklagten wegen 6300 Thlr, ergangen vor den Adelig Einsiedelschen Gerichten, 1847.

Sonstiges

  • Ev.-luth. Kirchenbücher Burkhardtsdorf, Gelenau, Zöblitz u.a.
  • Manuskript Die Sippe Wieland, Kirchenarchiv Gelenau
  • Leichenpredigten von Burkhardtsdorf aus dem 19. Jahrhundert, Kirchenarchiv Burkhardtsdorf
  • Pflichtschein Adolph Ferdinand Wielands als Kemtauer Dorfrichter, ausgestellt von den Adelig Einsiedelschen Gerichten, Gemeindearchiv Kemtau, 1837
  • Matthias Hofmann, Ahnen CD, Familien Hofmann und Tretter, Konstanz, 2004
  • Ahnenliste Nr. 1181 der Zentralstelle für Genealogie in Leipzig, Ahnenstammliste Wieland, eingereicht von Dr. Konrad Wieland, 1941
  • Ahnenliste Nr. 2995 der DAGV, Familie Roder, eingereicht von Roland Kunick, 2001
  • Ahnentafel der Familien Wieland, Archiv der AMF Signatur 1397, eingereicht von Prof. Dr. Klaus Wieland, 2004