Der Bau der Zwönitztalstraße

Der Beginn der Zwönitztalstraße in Dittersdorf
Der Beginn der Zwönitztalstraße in Dittersdorf

Die Zwönitztalstraße war die letzte große Straßenbaumaßnahme in Burkhardtsdorf Ende des 19. Jahrhunderts. Als die Straße 1894 in Betrieb ging, erhielt Kemtau die erste richtige Verkehrsanbindung. Der eigene Eisenbahnhaltepunkt folgte erst 1908.

Diese alte topographische Karte im Maßstab 1:25000 aus dem Jahre 1886 zeigt Burkhardtsdorf und Umgebung vor dem Bau der Straße. Quelle: SLUB / Deutsche Fotothek

Neben der Einrichtung einer Bahnverbindung im Zwönitztal war auch die Erbauung einer Straße von Burkhardtsdorf nach Dittersdorf von großer Bedeutung für die Kemtauer Fabrik- und Mühlenbesitzer. Bereits 1885 trafen man sich unter Führung des Fabrikbesitzers Lohs in Dittersdorf um beim Ministerium und den Ständekammern wegen der Erbauung dieser Straße vorstellig zu werden. Zunächst ohne Erfolg. 1886 richtete dann das „Comite für Erbauung der Zwönitzthalstraße“ eine Petition an das königliche Finanzministerium und die Ständekammer.

Begründung für den Bau der Straße Burkhardtsdorf Dittersdorf von 1886:

„Während jetzt der sehr bedeutende Verkehr von Burkhardtsdorf über den sogenannten Klaffenbacher Berg - einen Theil der wie so viele in früherer Zeit direct über die Berge gelegten Chemnitz-Annaberger Chaussee - führt, eine Straße, welche von größeren Lasten, wegen ihrer Steigungsverhältnisse sehr schwer, im Winter aber fast gar nicht passiert werden kann, würde sich dieser Verkehr auf die bequemste Weise auf der neuen Straße nach Chemnitz zu und umgekehrt abwickeln. Das nämliche ist bei Eibenberg der Fall, welches entweder auf den wegen seiner Steigung berüchtigten Harthauer Berg oder den über Einsiedel nach Chemnitz führenden Weg angewiesen ist, Verbindung aber mit den zunächst gelegenen Ortschaften Kemtau und Dittersdorf nur auf dem Umweg über Burkhardtsdorf und Einsiedel hat.

Kemtau ist von der directen Verbindung mit Chemnitz vollständig abgeschlossen und kann solches nur auf dem bedeutenden Umweg über Burkhardtsdorf oder Weißbach erlangen, während eine Fahrverbindung Dittersdorfs mit Kemtau, Eibenberg und Burkhardtsdorf überhaupt nicht existiert.“

1887 wurde wenigstens erreicht, dass der Staat Sachsen Vermessungsarbeiten übernahm. Nach jahrelangen Verhandlungen über die Trassenführung, die von der Gemeinde zu tragenden Kosten und die Entschädigungen der betroffenen Grundstücksbesitzer setzten sich endlich die Gemeindevertreter am 20. April 1891 in Dittersdorf zusammen. Es wurde eine Einigung erzielt. Der Staat verpflichtete sich 80 Prozent der Baukosten zu übernehmen, die Gemeinden hatten das übrige Fünftel aufzubringen. Insgesamt betrug die veranschlagte Bausumme 149.000 Mark.

Wie es danach weiterging, beschreibt ein Artikel in der "Burkhardtsdorfer Zeitung" wie folgt: "Sobald als der Schluß bekannt war, meldeten sich wenigstens auf unserem Gemeindeamte viele Leute von hier und auswärts als Arbeiter an, da die Strumpfindustrie gerade sehr stockte. Am 16. Juli 1891 beschloß unser Gemeinderat, in Gemeinschaft mit den Ortsbehörden von Dittersdorf, Eibenberg und Kemtau angesichts der wachsenden Arbeitslosigkeit um die baldige Inangriffnahme des Baues zu bitten. Da entstanden in Dittersdorf verschiedene Schwierigkeiten. So kam es, daß der Anfang zum Baue erst Ende April 1892 gemacht werden konnte. Jedoch wurde er nun sehr rasch gefördert. Mitte Mai war bereits überall der Rasen abgeschält - wo es überhaupt nötig war, und mit der Aufschüttung des Bodens begonnen. Im August 1892 war man schon am Bau der Zwönitzbrücke bei der Brauerei beschäftigt; die Mühlengrabenbrücke dabei und die über den Waldbach bei den Höllenhäusern war zu dieser Zeit schon vollendet. 1893 ward besonders der Oberbau hergestellt und die Straße an den Seiten mit Schutzstangen versehen."

Am 31. Mai 1894 wurde die neue Zwönitztalstraße beräumt und danach zum Verkehr freigegeben. Dazu nochmals die Burkhardtsdorfer Zeitung: "So ist nun der Verkehrsweg fertig. Unsere Gemeinde hat 4080 Mark zur Bausumme Beigetragen. Davon hat man nichts gehört, daß größere Industrielle usw. ihr Versprechen vom Jahre 1885 eingelöst hätten, persönlich zum Aufwande beizutragen. Hoffentlich bringt die Straße unserem Orte Nutzen, mag es nun sein, daß Radfahrer von Chemnitz herauf im Sommer sie benutzen, mag die schöne Ebenheit der Straße Schlittenpartien zu uns führen, mögen Ausflügler auf ihr durch eines der Schönsten Thalstücke des Erzgebirges wandern."

Auch in "Möckel's Adressbuch" von Burkhardtsdorf von 1894 wird die neue Straße in den höchsten Tönen gelobt:

"Ferner sei der neuen Thalstraße gedacht, die größtenteils horizontal, vom unteren Ortsteile nach Neu-Eibenberg, Kemtau und Dittersdorf (dort fast unmittelbar an den Bahnhof) führt und auf ihrem Verlaufe an prächtigen Thalwiesen, waldreichen Berghängen, erlen- und weidenumrahmten Bachwindungen, rauschenden Wehren vorüberzieht. Von dieser Straße gelangt man unterhalb Kemtau leicht nach den "Burgsteinen", von denen man, wie von dem gegenüberliegenden "Mühlberg" aus zwar begrenzte, aber immerhin lohnende Blicke in das gerade hier sehr romantische Zwönitzthal werfen kann. Eine Menge anderer Pfade führen hier an dem etwas höher gelegenen Berglehnen hin, manche schöne Ausschau ins Thal ermöglichend. Die Hauptstraße ist von ihnen aus immer leicht wieder zu gewinnen."


Straßenbauarbeiter mit "Waha" Dampfwalze
Straßenbauarbeiter mit "Waha" Dampfwalze

Wie wurden damals die Straßen gebaut? Schon seit den Römerstraßenbau wurde zuerst der Bereich geebnet und ausgehoben, dann erfolgte ein definierter Schichtenaufbau. Zuerst grobe Steine, dann feinere Steine, Kies und abschließend Sand. Das Ganze wurde dann mit schwerem Gerät glatt gewalzt. 

"Waha Briefkopf
"Waha Briefkopf

Damals war der Dampfwalzenbetrieb Carl Waha die führende Firma für Straßenbau in Chemnitz und Umgebung. 1887 gegründet, waren die Dampfwalzen von "Waha" mit Sicherheit auch am Bau der Zwönitztalstraße beteiligt. Die 25 Dampfwalzen und 12 Straßenaufreißer stammten übrigens teilweise aus England vom Hersteller Aveling & Porter - Globalisierung gab es also schon lange vor unserer Zeit.

Als Fahrbahnbelag diente – wie bis ins 20. Jahrhundert üblich – ein Deckschicht aus Pflastersteinen, eingefasst von Randsteinen. Durch diese Bauweise war es möglich, auch in Gebieten mit schlechterem Untergrund und unabhängig vom Wetter die Straßen passierbar zu machen. Typische Frachtfuhrwerke konnten unter günstigen Umständen (gebaute Straßen, nicht zu starke Steigungen) maximal 30 km am Tag zurücklegen und dabei bis zu 5 Tonnen Last befördern.

Theoretisch wäre es damals schon möglich die neue Straße mit einer Asphaltdecke zu versehen. Die heute geläufigen Walzasphaltdecken wurden in den USA bereits in den 1870er Jahren entwickelt, verbreiteten sich in Europa aber erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts. So erhielt Dresden erst im Jahr 1913 die erste Straße mit einem Asphaltbelag.

Die Abbildung zeigt eine Gussasphaltbaustelle aus dem Jahre 1880. Im Transportkessel wurde der Gussasphalt erhitzt und anschließend per Hand eingebaut und abgerieben.


Unten rechts Böhms Restaurant in Kemtau an der neuen Straße 1905
Unten rechts Böhms Restaurant in Kemtau an der neuen Straße 1905

Die Straße in Kemtau erhielt also in der ersten Ausbauphase noch keine Pflasterung, geschweige denn eine Asphaltdecke. Nach jedem Winter musste die Straße wieder befahrbar gemacht und damit auch verbessert werden. Aber das kennen wir ja heute auch noch.


Die Zwönitztalstraße ist ca. 5,5 km lang. Zum Bau gehörte auch die Brücke über die Zwönitz. 

Quelle

550 Jahre dörfliches Leben Kemtau / Eibenberg