Der letzte Lehnrichter von Kemtau

Das ehemalige Lehngut 2017
Das ehemalige Lehngut 2017

Hoch oben im Kemtauer Oberdorf stand seit Jahrhunderten das Lehngut, eines der größten und wichtigsten Bauerngüter und das Lehngericht von Kemtau. Hier lebten 200 Jahre lang die Wielands und vererbten in 8 Generationen das Amt des Lehnrichters. Der Letzte von ihnen war Adolph Ferdinand Wieland. Er wurde im Jahre 1835 Lehnrichter, einer Zeit in der in Deutschland und Europa große Veränderungen stattfanden. Die Industrielle Revolution war in vollem Gange und nach Napoleons Feldzügen war Frieden eingekehrt. Die Zeichen standen auf Neuanfang. Straßen wurden gebaut, neue Maschinen erfunden und die Eisenbahn warf ihre Schatten voraus. Es war eine "wilde Zeit" und Glücksritter, Erfinder und Spekulanten versuchten ihr Glück, für Bauern gab es da nicht viel zu holen.

Adolph Ferdinand Wieland erbt sein Amt

Adolph Ferdinand war gerade 23 Jahre alt und ledig als er das Amt des Lehnrichters von seinem Vater Johann Adolph Wieland, noch zu dessen Lebzeiten, erbte. Zum Erbe gehörte nur das Amt und diverse Privilegien, wie das Brau- und Schankrecht, nicht aber das Lehngut und das Lehngericht. Dafür gab es noch andere Erben und Adolph Ferdinand musste beide Besitztümer vom Vater abkaufen. Dieser war 40 Jahre lang ein sehr angesehener und erfolgreicher Lehnrichter. Ihm verdankt Kemtau die Häuser am Hang und somit eine erste große Dorferweiterung. Das Gut war in sehr gutem Zustand und Adolph Ferdinand musste die stolze Summe von 10.000 Talern aufbringen um das Lehngut und Gericht zu kaufen. Dazu kamen noch zahlreiche Forderungen seines Vaters für dessen anspruchsvollen Lebensunterhalt zu sorgen:

- Der Vater durfte sich ein junges Schwein anschaffen, dass der Sohn mästet, bis es 5 Stein schwer ist (ca. 33 kg)

- Jedes mal zu Pfingsten bekam der Vater 9 Pfund Rindfleisch (ca. 42 kg)

- Den vierte Teil von allen geernteten Obst erhielt der Vater

- Ebenso ein halbes Pfund Wurst von jedem geschlachteten Schwein

- Wöchentlich ein 6-Pfundbrot und eine Kanne Butter

- Täglich eine Kanne Milch und eine halbe Kanne guten Rahm

- Alle 14 Tage ein viertel Fass Bier

- Der Sohn hat dem Vater jederzeit einen Wagen mit Pferden und Kutscher zur Verfügung zu stellen um damit in die Kirche, zu seinen Kindern, seinen Bekannten und wohin er sonst will, zu fahren.

So war das wohl damals üblich und Adolph Ferdinand Wielands Vorgängern im Amt ging es ebenso. Das Geld, das sie dazu geliehen hatten, konnten alle wieder abzahlen. 

Nach 1835 waren die Bedingungen allerdings anders, es zogen dunkle Wolken auf über dem Oberdorf.

Vier Jahre als Lehnrichter

Die Landgemeindeordnung von 1838 trat im Mai 1839 in Kraft
Die Landgemeindeordnung von 1838 trat im Mai 1839 in Kraft

Zunächst lief jedoch alles nach Plan. Ein Jahr nach Amtsantritt heiratete Adolph Ferdinand die ein Jahr jüngere Auguste Friedericke Uhlmann. Sie war die Tochter des Erb- und Lehnrichters von Dorfchemnitz. Wieder ein Jahr später wurde der Lehngerichtsbesitzer Wieland offiziell vereidigt und somit in seinem Amt mit allen Pflichten und Rechten bestätigt. 

Damit sollte es jedoch schon bald vorbei sein. Ende 1838, also wieder ein Jahr später, wurde in Sachsen die Landgemeindeordnung erlassen und damit das Ende der Epoche der Lehnrichter eingeläutet. Nun wurde von allen männlichen Einwohnern ein Gemeinderat gewählt, der dann wiederum einen Gemeindevorsteher bestimmte. Zum Glück für Adolph Friedrich enthielt diese neue Verordnung auch folgenden Satz: "Übrigens sind die Erb- und Erblehnrichter zu Gemeindeämtern, wie sie Landgemeindeordnung vorschreibt, wieder wählbar, da sie als Gemeindeglieder zu betrachten sind". (2) So geschah es auch in Kemtau. Adolph Ferdinand Wieland wurde vom neuen Gemeinderat, dem die Gemeinderäte Karl Gottlob Viertel, Johann Samuel Nietzold, Carl Friedrich Uhlig, Karl Christoph Rösler, Johann Gottlieb Köhler angehörten, zum Gemeindevorsteher bestimmt. Auch die Polizeigewalt blieb zunächst in seiner Hand. Was allerdings wegfiel waren Privilegien, damals "Gerechtigkeiten" genannt, die nichts mit dem Amt des Gemeindevorstehers zu tun hatten. Das betraf das alleinige Recht zu Brauen, die Schankgerechtigkeit, Beherbergen, Musik und Tanz abzuhalten sowie die Befugnis zum Branntweinbrennen. Dennoch blieb ihm sein Bauerngut und das Lehngerichtsgebäude als sein privater Besitz.

Der Gemeindevorsteher Wieland

Das ehemalige Lehngut 2014 ohne Lehngerichtsgebäude
Das ehemalige Lehngut 2014 ohne Lehngerichtsgebäude

Nach dem Wegfall seiner alten Einnahmen trat Adolph Ferdinand die Flucht nach vorn an. Er begann 1840 mit Gebäuden und Grundstücken zu spekulieren. Als erstes kaufte er von dem Landarbeiter Karl Gottlob Lohse ein Haus in der heutigen Gelenauer Straße 24 für 500 Taler. Das alte Haus mit der Nr. 15 blieb zunächst stehen und er baute auf dem Grundstück bis hinaus auf die Dorfstraße den Gasthof Kemtau der die neue Hausnummer 36 erhielt. Nach der Fertigstellung im Dezember 1841 verkaufte er das Gebäude für 1.500 Taler an seine Frau Auguste Friedericke. Auch die anderen Bauerngüter im Kemtauer Oberdorf waren Objekte seiner Spekulationen. Den Kunz'schen Bauernhof, der gleich neben seinem Gut stand, hatte schon sein Vater 1808 erworben. Das Gut auf der anderen Seite des ehemaligen Lehngutes, gehörte 1843 Johann Samuel Nietzold, der es am 28.7.1843 an den Spekulanten Friedrich Christian Fickert aus Grünhain für 7000 Taler verkauft hatte. Für Fickert und Konsorten versprach ein Bauernhof keine guten Geschäfte. Er verkaufte das Gut einen Monat später schon wieder an Adolph Ferdinand Wieland für 9000 Taler. Damit besaß er drei Bauerngüter von 2 1/2 Hufe Größe. Dazu kamen noch 2/3 der Felder des Gutes von Johann Gotthilf Lohse (heute Gelenauer Str. 67) für 2000 Taler. Nun gehörte ihm ca. die Hälfte der Fläche aller Bauerngüter des Oberdorfes und er war hoch verschuldet. Im Jahre 1844 hatte sich Adolph Ferdinand endgültig verspekuliert und es wurde gegen ihn ein erster Prozess wegen nicht gezahlter Schuldzinsen geführt. Sein Besitz wurde zu diesem Zeitpunkt auf 31.000 Taler taxiert und er bekam damit eine höhere Hypothek. Die nächsten drei Jahre konnte er sich damit noch über Wasser halten, dann kam die Zahlungsunfähigkeit. 1847 verkaufte er das Kemtauer Lehngericht. In der Leipziger Zeitung vom 20. Januar 1847 hatte er annonciert: "In der Nähe von Chemnitz stehet Familienverhältnisse halber das Lehngericht Kemtau mit ca. 250 Acker Areal ... schleunigst billig zu verkaufen...". An wen und für wieviel Geld er das Lehngericht verkaufte ist unbekannt. Am 18. Juli 1848 teilte dann das Einsiedel'sche Gericht zu Weißbach in der Leipziger Zeitung die Zwangsversteigerung seines Besitzes Im Wert von 31.193 Talern mit. Der Termin der Versteigerung war der 27. September 1848 um 12 Uhr Mittags. Das Lehngericht gehörte nicht dazu. Zu diesem Zeitpunkt war Adolph Ferdinand Wieland schon verschwunden, "... welcher dem Vernehmen nach in den nordamerikanischen Freistaaten sich übergesiedelt hat ...". (1) Der Erlös der Versteigerung belief sich auf 16.000 Taler.

Auswanderung in die Vereinigten Staaten

Auswandererschiff in Bremerhafen 1855 Quelle: (10)
Auswandererschiff in Bremerhafen 1855 Quelle: (10)

Damals wusste niemand so genau wohin sich der letzte Lehnrichter von Kemtau abgesetzt hatte. Heute gibt es die Möglichkeit, eine Anfrage an die "Deutsche Auswanderer Datenbank" zu stellen, um zu überprüfen, ob Herr Wieland wirklich nach Amerika ausgewandert ist. Die online Recherche ergibt, dass ein Adolphs Ferd. Wieland tatsächlich am 30. September 1848 in New York eintraf. Sein Alter wurde mit 36 Jahre angegeben, sein Beruf war Bauer und sein Herkunftsort hieß "Kentald". Nun muss man beachten, dass alle Einreisenden handschriftlich in eine Liste eingetragen wurden, die dann für die Auswanderer Datenbank abgeschrieben wurde. Da kann schon mal eine Ortsangabe eines kleinen erzgebirgischen Dorfes verfälscht werden. Das Schiff mit dem Adolph Ferdinand in New York ankam, hieß "Lion" und stach am 15. August in Bremerhaven, dem üblichen deutschen Auswandererhafen, in See. Über die "Lion" gibt es die Angabe, dass es 160 Auswanderer nach New York brachte. Es taucht allerdings in den Jahren vor und nach 1848 nicht als Auswandererschiff auf. Die "Lion" war ein Segelschiff, denn die ersten Dampfschiffe kamen erst nach 1850 auf. Solche Schiffe fuhren dann regelmäßig auf den Auswandererlinien, konnten mehr Passagiere befördern und brauchten weniger Zeit. In diesen Genuss kam Herr Wieland noch nicht. Seine Überfahrt mit dem Segelschiff dauerte ca. 45 Tage und er musste also spätestens am 13. August in Bremerhaven eigetroffen sein, wo er einen kurzen Aufenthalt hatte um sich für die Überfahrt auszustatten. Übernachtet wurde in Dachböden und Scheunen der Umgebung, denn das Auswandererhaus in Bremerhaven wurde erst 1850 erbaut. "Hier herrscht eine Schweinewirtschaft, von der sich kein Mensch eine Idee macht!", schrieb eine Prüfungskommission 1847.

Wenn man die Anreise mit der Postkutsche, die ja täglich in Gelenau abfuhr, und mehrere Umstiegspausen hinzurechnete, muss Adolph Ferdinand Wieland gleich nach der Verkündung der Zwangsversteigerung Kemtau verlassen haben. Vermutlich begann seine Reise um den 7. August 1848. Eine detaillierte Beschreibung seiner Reise von Kemtau über Bremerhaven nach New York und weiter bis Wartburg in Tennessee erfolgt in einem eigenen Beitrag (Teil 1 und Teil 2 sowie Teil 3)

Die Bedingungen und Kosten der Auswanderung

Vertrag mit einem Ausreisewillen und zukünftigen Siedlers 1848 Quelle (4)
Vertrag mit einem Ausreisewillen und zukünftigen Siedlers 1848 Quelle (4)

So einen Vertrag hat Herr Wieland nach der ersten Etappe seiner Reise, die mit der Postkutsche von Gelenau nach Leipzig führte, im Central-Büro für Auswanderer in Leipzig abgeschlossen. Neben den Kosten von 57 Thalern für die Passage von Bremen bis zur Siedlung in Wartburg, musste er auch 50 Thaler für die Anzahlung seiner Parzelle von 100 Acres sofort zahlen und sicher weitere 150 Thaler in bar vorweisen, um den ersten Winter in Tennessee zu überstehen. Wobei Unterbringung in einem Colonisten-Haus für die ersten beiden Monate bezahlt war. Danach brauchte er entweder ein eigenes Haus oder er musste ab Weihnachten 1848 selbst für Kost und Logis aufkommen.

Der Umtauschkurs betrug für einen Dollar 1,5 Thaler, ein Thaler hatte 30 Neugroschen. Die Größe des Landstückes betrug für ihn als Einzelperson 100 Acres zu 220 sächsischen Quadratruthen. Somit ist der amerikanische Acre größer als der heimische Acker (200 Q-Ruthen). Umgerechnet würde Wieland mit 40 Hektar landwirtschaftlicher Fläche beginnen. Zum Vergleich, das Lehngut der Wiegands in Kemtau hatte etwa 50 Hektar und konnte über Jahrhunderte die ganze Familie ernähren. Der geringe Preis für das Ackerland war also der verlockende Grund für die Auswanderung. 

Der letzte Lehnrichter in den USA

Für den Kemtauer Gemeindevorsitzenden und ehemaligen Lehnrichter sollten die Pläne allerdings nicht aufgehen. Die nebenstehende merkwürdige Anzeige in der Leipziger Zeitung erschien am 24. Februar 1849. Herr Adolph Ferdinand Wieland aus Kemtau befand sich also fünf Monate nach seiner Ankunft in den USA in dem kleinen Ort Wartburg in Tennessee ca. 140 Meilen östlich von Nashville gelegen. Somit hatte Ferdinand 1200 km über Land oder mit dem Schiff bzw. Eisenbahn von New York aus zurückgelegt.

Morgan County mit Hauptstadt Wartburg 1896
Morgan County mit Hauptstadt Wartburg 1896

Dieser Ort Wartburg war erst 1840 von einem George F. Gerding gegründet worden, der große Landgebiete aufgekauft hatte um eine deutsche Kolonie zu gründen. Eine erste Gruppe von 50 Siedlern erreichte 1845 über New Orleans, den Mississippi hinauf und weiter den Cumberland River entlang nach Nashville bis zu ihrem Ziel. Weitere Siedler wurden in Deutschland und der Schweiz angeworben. Trotz der geringen Landpreise, reichte der Zustrom von Siedlern offenbar nicht aus. 

1847 gelang es einen neuen Partner in Deutschland zu finden. Es war der Schwarzenberger Pastor Friedrich Hermann Behr. Um der Armut im Erzgebirge zu begegnen warb er in Leipzig und Dresden ausreisewillige Familien mit dem Ziel in Wartburg eine Sächsische Kolonie zu gründen. Auch in Chemnitz und Annaberg wurden Agenturen eingerichtet. Der Pastor ließ sich Anfang 1847 beurlauben und reiste selbst nach Tennessee. In seinem übertriebenen Enthusiasmus schrieb der Pastor von Wartburg aus in seine Heimat: „Ich bin hier in einem nordamerikanischen Paradies, in einer Region, die der Umgebung von Teplitz oder den Thüringer Wäldern ähnelt! Ein wunderschönes Land. Nirgendwo in Amerika gibt es ein besseres Klima, eine hervorragende Gelegenheit für den Bergbau und die Fertigung." Die damaligen 850 Siedler sahen das inzwischen wohl etwas anders. Um im Erzgebirge neue Siedler zu werben wurde die Colonie Wartburg auch unter dem Beinamen "Teutonia" geführt.

Die "Deutsche Colonie Wartburg in Ost-Tennessee" bekam am 17. April 1848 in Leipzig den neuen Auswanderungsagenten Johann Ernst Weigel, der alleinig für die Anwerbung zuständig war. Sein Central-Büro befand sich in 1a Lage in der Grimmaischen Straße 33 im 1. Stock, gleich am Augustusplatz. Weigel lobte den Schwarzenberger Pastor über alle Maßen. Er hat später auch die Anzeige im Auftrag von Adolph Ferdinand Wieland aufgegeben.

Traum und Wirklichkeit

Das Gerichtsgebäude von Wartburg um 1900
Das Gerichtsgebäude von Wartburg um 1900

Nun muss man erwähnen, dass Herr Wieland einen älteren Bruder hatte, der Kreisamtmann in Schwarzenberg war. Zu ihm hatte er offenbar ein gutes Verhältnis, wie sich später herausstellen sollte. Dieser Bruder Karl Friedrich Adolph Wieland war zweifellos über die Aktivitäten des Pastors Behr in Wartburg Tennessee informiert und wohl seinem Bruder den Rat gegeben in den USA neu anzufangen. Friedrichs Abgang war also keine spontane Flucht, sondern schon lange, vielleicht zusammen mit seinem Schwarzenberger Bruder, geplant.

1848 war jedoch die Zeit der organisierten Auswanderungen nach Ost-Tennessee schon vorbei und nur noch vereinzelte Nachzügler, zu denen auch Herr Wieland gehörte, trafen im Morgan County mit dem Ort Wartburg ein. Dazu kam, dass sich der Ruf dieser Kolonie verschlechterte. 

Im März 1848 schrieb ein gewisser Scholz im "Wochenblatt der deutschen Schnellpost", einer deutschsprachigen Auswanderer-Zeitung in New York: "… das Morgan County ist das Zuchthaus von Tennessee" und weiter "… die Bevölkerung besteht aus Verbrechern und entflohenen Sklaven… man sollte beim Passieren dieses Teils von Tennessee bis an die Zähne bewaffnet sein." Es ist umstritten, ob dieser Artikel berechtigt war, oder ein persönlicher Rachefeldzug des Verfassers. Die deutschen Auswanderergesellschaften in New York warnten jedoch ankommende Siedler vor Wartburg. Auch unterwegs durch die Südstaaten wurden Siedler für Wartburg wegen dieses negativen Berichts abgeworben um sich woanders niederzulassen. Dadurch waren die Anwerber von Auswanderern gezwungen die Bedingungen für die Aufnahme zu verschärfen. Am 30. Dezember 1848 schrieb die Leipziger Zeitung "Die deutsche Niederlassung in Ost-Tennessee soll nur aus rechtlichen und achtbaren Leuten bestehen, deren künftiges Schicksal und Wohlergehen die größte Sorge der Gesellschaft sein wird. Es wird niemand in die Colonie aufgenommen, der bei seiner Anmeldung hier ein von dem Geistlichen seines Ortes ausgestelltes Zeugnis guten und gesitteten Lebenswandels nicht beibringen und sich als brav und fleißig nicht ausweisen kann." Als Begründung wurde angegeben: "Die schlechte Aufführung mehrerer dorthin gekommener Einwanderer, die weder das vorgeblich besitzende Capital zum Landankauf aus Europa erhielten, noch etwas arbeiten wollten, sondern umsonst gefüttert werden mussten und nur mit großen Kosten wieder entfernt werden konnten … sind der Grund, dass die oben aufgestellten Bedingungen ohne Ausnahme auf das Strengste von nun an durch geführt werden." War diese vermutliche Falschmeldung der erste Schritt zum Scheitern der Colonie Wartburg?

Zu diesem Zeitpunkt war Adolph Friedrich Wieland vermutlich gerade erst vor einem Monat in Wartburg eingetroffen. Pastor Hermann Behr hatte zuvor Wartburg frustriert verlassen. Auf der Rückreise nach Schwarzenberg starb er am 13. Dezember 1848 in New York an Cholera.

Beispiel eines sächsischen Postscheins
Beispiel eines sächsischen Postscheins

Nun zur finanziellen Seite der oben aufgeführten Anzeige in der Leipziger Zeitung. Es geht um 1400 Thaler, die Herr Wieland einen Beauftragten anvertraut hatte um, nach seiner Ankunft am Zielort in den USA, ihm das Geld auf sicherem Wege per Post nachzusenden. Die erste Frage ist nun woher hatte er das Geld? Da er hoch verschuldet und zahlungsunfähig war, kann es nur aus dem Verkauf des Lehngerichts stammen. Diesen hatte er Anfang 1847 veranlasst. Begann schon zu diesem Zeitpunkt die Planung seiner Ausreise? Nach seiner Ankunft in Wartburg muss er diesen Beauftragten angeschrieben haben um ihm seine neue Adresse mitzuteilen. Telegrafieren ging damals noch nicht, denn das Überseekabel war noch nicht verlegt. Dieser Beauftragte müsste das Geld auf einem Postamt eingezahlt haben und erhielt dafür einen Postschein. Diesen hat er per Post an Herrn Wieland geschickt. Das Geld ist jedoch nicht angekommen. Hatte also der Beauftragte den Schein gefälscht und sich mit dem Geld abgesetzt? Herr Wieland scheint ihn nicht mehr unter seiner Adresse erreicht zu haben. Nur so ist der Text dieser Anzeige erklärbar. Wer war dieser Beauftragte? Sicher nicht sein Bruder in Schwarzenberg, den hätte er direkt kontaktieren können. Also war es vermutlich ein alter Geschäftspartner. Dass er seinen Namen nicht nennen wollte deutet darauf hin, dass dieses Geld nicht ganz legal beiseite geschafft wurde. Unter diesen Umständen dürfte Adolph Friedrich Wieland seine 1400 Thaler nicht wiedergesehen haben.

Wartburg heute
Wartburg heute

Wielands Aufenthalt in Wartburg

Unmittelbar nach seiner Ankunft Mitte Oktober 1848 stand ihm, wie schon erwähnt, das Ankunfts-Haus kostenlos zur Verfügung. Konkret war das ein 2-stöckiges Blockhaus mit 3 Wohnräumen je Etage. Allerdings hatte es keinen Schornstein und die Bewohner mussten ihr Essen am offenen Feuer vor dem Haus zubereiten. Und beheizen ließ es sich im Winter auch nicht (5). Die Winter waren jedoch nicht mit dem Erzgebirge vergleichbar. Im Januar 1849 gab es nur einen Tag mit -15 Grad in der Nacht, alle anderen Tage bewegten sich um den Nullpunkt. Ende Februar schwärmten schon die Bienen und Schmetterlinge aus, Eidechsen und Laubfrösche tummelten sich in der Sonne (5).

Ferdinand hatte auch noch eine weitere Option, er hatte bekanntlich ein Stück Land zu einem Drittel in Leipzig angezahlt und die zweite Rate wurde erst nach 12 Monaten fällig. Er konnte sich also in aller Ruhe mit der Situation vor Ort vertraut machen.

Einen Monat später standen große Veränderungen an. Ein neuer Akteur, Johann Gottlob Häcker aus Chemnitz, kam am 4. Dezember in Wartburg an. Er war ein Druckereibesitzer und verdiente bisher sein Geld mit dem Druck und Vertrieb von Noten und Partituren. Auf Grund der Wirren im Zusammenhang mit der "Bürgerlichen Revolution" 1848 plante er Chemnitz zu verlassen und nach Nordamerika auszuwandern. Allerdings nicht als einfacher Neusiedler, sondern er wollte selbst eine Siedlung gründen. Dazu verkaufte er seine Fabrik in der Annaberger Straße 48 in Chemnitz und machte sich einen Monat nach Wieland auf den gleichen Weg nach Wartburg in Tennessee. Das Ziel war kein Zufall, sein Bruder Friedrich Edward Häcker lebte schon dort als einer der ersten Siedler.

Häcker hatte einen Traum von einer eigenen Siedlung namens Neu-Chemnitz und dieser Traum sollte auch für Adolph Ferdinand Wieland eine Chance liefern ohne die fehlenden 1400 Taler in Tennessee Fuß zu fassen.

Häckers Pläne

Aus: Vereinigte Staaten von Nord Amerika 1865 (7)
Aus: Vereinigte Staaten von Nord Amerika 1865 (7)

Als Häcker von Chemnitz aufbrach, hatte er sich Monate vorher mit Wartburg in Ost-Tennessee beschäftigt. Nach seiner Ankunft in New York besuchte er zweifellos den Gründer und Besitzer der Colonie, George F. Gerding, der zu diesem Zeitpunkt dort ansässig war. Nur so ist sein 14-tägiger Aufenthalt in dieser Stadt zu erklären. In Warburg im Dezember 1848 eingetroffen, bereiste er das Gebiet um sich mit den Verhältnissen vor Ort vertraut zu machen und sich geeignetes Land für seine Pläne zu suchen. Später würde er ein Buch über seine Reise nach Nordamerika schreiben (5) und notierte alles was er unterwegs und am Ziel vorfand. 

Zur geografischen Lage schrieb er: 

"Es werden zwei Städte angelegt. Neu-Chemnitz, am rechten (westlichen) Ufer des Big-Emery-River, 12 Meilen (19,2 km) von Kingston, 7 Meilen (11,2 km) von Wartburg, und Marienberg, 7 Meilen jenseits Wartburg, 11 Meilen von Neu-Chemnitz an der Hauptstraße von Nashville nach Knoxville und Kingston, an dem Punkte, wo die Hauptstraße aus Kentucky nach dem Süden sich mit der Nashville-Straße vereinigt und von letzterer eine Seitenstraße südlich nach Washington am Tennessee River abgeht."

George Frederick Gerding's Rolle

Georg Friedrich Gerding *1803 in Osnabrück +1884 in Oliver Springs, Tennessee (6)
Georg Friedrich Gerding *1803 in Osnabrück +1884 in Oliver Springs, Tennessee (6)

Gerding kam 1925 nach New York und machte Geld mit Import-Export von geschliffenem Glas und Porzellan aus Deutschland und Frankreich. 1839 kauft er dann das Land auf dem er später Wartburg errichten ließ. Er selbst setzte jedoch zunächst keinen Fuß nach Tennessee. Er blieb in seinem Büro in der Maiden Lane 78 in New York. Dort befand sich der alte Finanz-Distrikt, bevor die nahegelegene Wallstreet zum Bankenviertel wurde. Gerding verkehrte damals mit den Roosevelts, den Astors und anderen prominenten New Yorkern.

Sein Wohnhaus befand sich in der Rose Street 33. Diese Straße gibt es heute nicht mehr in New York, sie ist beim Bau des Verkehrsknotens an der Auffahrt zur Brooklyn Bridge beseitigt worden. In Wartburg erinnert die Rosen Street und die Maiden Lane noch heute an Gerdings Zeit in New York.

Erst kurz nachdem Wieland und danach Häcker in Wartburg eintrafen, im Dezember 1848, wurde New York von einer Cholera-Epidemie heimgesucht. Ein Auswandererschiff aus Europa hatte 300 Infizierte mitgebracht. Die Cholera breitete sich rasant aus und machte auch vor der wohlhabenden Bürgern nicht halt. Er hatte mit seiner Frau Elisabeth damals 13 Kinder, von denen 7 starben.  Um seine Familie zu schützen siedelte er mit Frau und 6 Kindern nach Wartburg um und übernahm die Geschäfte. Sie blieben bis zum Beginn des Bürgerkrieges in Tennessee.

Am 3. Januar 1849 kaufte Häcker von ihm 50.000 Acres Land für seine Siedlung Neu-Chemnitz für 35.500 Dollar, die in Raten in den nächsten 10 Jahren bezahlt werden sollten. Später kam noch eine Option auf 7.000 Acres für die kleinere Stadt Marienberg dazu.

Wieland kannte Gerding zweifellos, denn sie besuchten beide das gleiche Gotteshaus der Lutherischen Kirche.

Pastor Johann Friedrich Wilken
Pastor Johann Friedrich Wilken

Dort lernte Wieland den aus Hildesheim stammenden Pastor Wilken kennen. Der war Ende Juli 1846 in Wartburg eingetroffen um die ersten Siedler aus der Schweiz und Württemberg zu missionieren. Die Schweizer Anhänger der evangelischen Kirche fanden das nicht so gut. Es kam zum Streit und sie stürmten mit Mistgabeln bewaffnet sein Wohnhaus (6). Danach gingen sie getrennte Wege. Sie trafen sich zunächst in einem Gebetshaus, eine richtige Kirche wurde 1855 fertig. Wilken war Referent in Wartburg bis 1866.

Auf Wielands Spuren

Volkszählung der Vereinigten Staaten 1850 (11)
Volkszählung der Vereinigten Staaten 1850 (11)

Einen eindeutigen Nachweis, dass Wieland in Wartburg angekommen und sich aufgehalten hat, liefert dieses Blatt vom 21. Oktober 1850, auf dem die Bewohner von Wartburg im Rahmen einer Volkszählung erfasst wurden (11). An dritter Position findet man einen Adolphus L. Wieland, 38 Jahre alt, männlich, Beruf Arbeiter mit dem Herkunftsland Germany. Er lebte allein auf einem Grundstück, war weder taub, blind, wahnsinnig, idiotisch, arm und kein Sträfling. Aber wie ist es ihm ergangen?

Welche Möglichkeiten blieben nach dem Verlust seiner 1.400 Taler Startkapital für Adolph Ferdinand Wieland in Wartburg? Eigentlich waren Neuankömmlinge mit bäuerlichen Erfahrungen sehr willkommen. Für sie wurde Farmland am Rande der Stadt oder einige Meilen außerhalb bereitgestellt. Mit seiner Anzahlung stand ihm ein entsprechendes Stück Land zu. Hat er es bekommen und wo befand es sich? Eine Antwort gibt Johann Gottlieb Häcker in seinem Buch (5):

"Noch weiter südwestlich, sieben bis elf engl. Meilen (1.609 km wie US-Meile) von Wartburg, auf der rechten Seite des Big Emery, befinden sich die Farms der Herren Maquinay, von Steinwehr, Schimmel, Mehlhorn, Töpel, Hedrich, Wieland, Dury und Blumfield, Lochmann, Mason, welche künftig zur Kolonie Neu-Chemnitz zu zählen sind. Diese Farmer haben mit Wartburg jetzt eine sehr  beschwerliche Verbindung, da sie nur durch die Gefälligkeit des Herrn Mehlhorn, der zwei Kanoes (lange schmale Kähne) besitzt, über den hier dreihundert Fuß breiten Big-Emery kommen können, weshalb sie mehr mit Kingston als mit Wartburg verkehren. Der Überfahrtspunkt über den Emery nebst Kanoes ist jetzt in meinen Besitz übergegangen und ich werde nächstens eine Fähre anlegen lassen."

Quelle (6)
Quelle (6)

Wieland ist also definitiv in Wartburg angekommen und versuchte sich als Farmer. Auch seine Nachbarn lernen wir kennen. Einer ist Christian Mehlhorn, der offenbar zu den ersten deutschen Siedlern gehörte und mit seiner Frau und vier Kindern eine Mühle betrieb. Aber wo stand seine Mühle genau? Auskunft darüber gibt eine weitere Quelle aus dem Jahre 1925 (6).

In diesem Jahr reichte Hobart Schofield Cooper eine Dissertation mit dem Titel „German and Swiss Colonization in Morgan County, Tennessee“ an der University of Tennessee in Knoxville ein. Quellen für diese Arbeit waren die Nachkommen dieser deutschen Einwanderer, von denen viele noch immer in Morgan County leben. Darüber hinaus wertete Mr. Cooper unzählige Seiten mit handschriftlichen Aufzeichnungen aus, darunter Tagebücher, Briefe, Familienbibeln und Geschäftsunterlagen. Er führte auch viele persönliche Interviews und verteilte Fragebögen. Die maschinengeschriebenen Seiten von Mr. Coopers Manuskript eingescannt und sind im Internet abrufbar.

Das "Melhorn Settlement" befindet sich zwischen dem Mill Creek und dem Crab Orchard Creek. Da sich südlich davon Bergland befindet, können die Farmen von Wieland und seinen Nachbarn nur nördlich des Mill Creek befunden haben. Wieland wird in diesem Manuskript drei mal erwähnt. Einmal als Bewohner des Ankunftshauses. Zum Zweiten auf einer 221 Personen umfassenden Liste der Familienoberhäupter von Wartburg im Jahre 1855, was Fragen zum Zeitpunkt von Wielands Rückkehr aufwirft und zum Dritten als Mitglied der Deutschen Lutherischen Kirche.

Es deutet nichts darauf hin, dass Wieland Geldprobleme hatte, die ihn zwangen nach Deutschland zurückzukehren.

Wartburg 1922, Quelle (6)
Wartburg 1922, Quelle (6)

Das Ende von Häckers Träumen

Als J. G. Häcker im April 1849 Ost-Tennessee Richtung Heimat verließ hatte er seine hochtrabenden Pläne als Manuskript für ein Buch im Gepäck, welches er im gleichen Jahr veröffentlichte (5). Er hatte viele Ideen für seine eigenen Siedlungen Neu-Chemnitz und Marienberg, von denen hier einige zitiert werden:

Es werden von 1850 an in jeder Stadt mehrere Häuser bereitstehen, welche gegen einen mäßigen Zins an Ankömmlinge  vermietet werden. Diese Häuser sind auch billig zu verkaufen.

- Der Unternehmer (also er, Häcker) wird schleunigst dafür sorgen, daß auf allen Hauptwegen über Flüsse und Bäche Brücken oder Fähren bereitgestellt werden.

- Er wird ferner Veranstaltung treffen, daß in beiden Städten schleunigst Gasthäuser eingerichtet werden, worin später ankommende Einwanderer, gegen billige Vergütung, Wohnung und Beköstigung finden, bis sie ihre eigene Wirtschaft eingerichtet haben.

- Bereits im Frühjahr 1849 wird bei jeder Stadt eine Mahl- und Sägemühle auf Kosten des Unternehmers errichtet.

- Es wird in jeder Stadt ein deutscher Arzt angestellt, welcher jeden Kolonisten im ersten Jahr seines Hierseins unentgeltlich ärztlichen Beistand und Medikamente zu reichen hat.

So geht es weiter mit Schulen, Krankenhäusern, Kolonialwarenläden und Kirchen. Zum Schluss verkündet er seine Rückkehr nach Europa im April 1849. Mit keinem Wort erwähnt er, wer in seiner Abwesenheit all das vor Ort in Ost-Tennesse für ihn organisieren soll. Ebensowenig gibt er Auskunft über die Finanzierung seiner Versprechungen. Bisher hat er nur die erste Rate in Höhe von 2.500 Dollar für die 50.000 Acres Land gezahlt, was zunächst ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Ob Häcker noch einmal persönlich in Wartburg oder New-Chemnitz erschien ist nicht belegt. Zum Abschluss schrieb er noch: "Auswanderungslustige, welche geneigt sind, sich in der neuen Kolonie anzusiedeln, haben sich mündlich oder in portofreien Briefen vorläufig bei J. G. Häcker in Chemnitz, oder bei einem durch verschiedene Zeitschriften namhaft gemachten Agenten zu melden".

Die Realität sah anders aus. In keiner damaligen Zeitung erschien der Name Häcker oder eine Siedlung Neu-Chemnitz in Tennessee. Er hat offenbar weder eine Auswanderungsgesellschaft gegründet, noch Agenten eingestellt. Und was einen J. G. Häcker in Chemnitz betrifft, er taucht in keinem Chemnitzer Adressbuch nach 1847 auf.

Sein großer Verdienst ist das 1849 veröffentlichen Buch (5), mit einer detaillierten Reisebeschreibung von Chemnitz nach Wartburg, sowie seiner Analyse der damaligen Verhältnisse für deutsche Aussiedler in Ost-Tennessee.

Im 1851 erschienenen Buch "Des Auswanderers Handbuch" wird schon folgendes ausgesagt: "Das Projekt eines Herr J. G. Häcker in Chemnitz, in Morgan-County eine zweite Colonie unter dem Namen New-Chemnitz zu gründen, mußte wegen Mangel an genügenden Geldmitteln aufgegeben werden."(8)

1963 erscheint in englischer Sprache eine kritische Betrachtung des Siedlungsprojektes Wartburg unter dem Titel "Dream and Reality of the New Germany in Tennessee" (9). Zu Häckers Neu-Chemnitz heißt es, dass 1853 Häcker seinen Plan endgültig begräbt und den Vertrag mit Gerding kündigt.

Das Ende von Wielands Nordamerika Abenteuers

Für A. F. Wieland ist das Scheitern von Neu-Chemnitz in unmittelbarer Nähe zu seiner Farm ebenfalls ein schwerer Schlag. Häckers Pläne hatten zweifellos Hoffnungen geweckt aus eigener Kraft eine neue Existenz aufzubauen, auch ohne den schmerzlichen Verlust von 1.400 Talern durch den Betrug einer Vertrauensperson. Er musste in der Folge wohl einsehen, dass auch seine eigenen Pläne in Nordamerika nicht realisierbar waren. Er kehrte 1854 oder 1855 zurück ins Erzgebirge. George F. Gerding besuchte nach dem Bürgerkrieg Wartburg ein letztes mal. Der katastrophale Zustand der Siedlung veranlasste ihn die Deutsche Kolonie "Wartburg" in Ost-Tennessee zu liquidieren. 


Wie es in Kemtau weiter ging

Die Auswanderer Datenbank enthielt keine weiteren Datensätze von Adolph Ferdinand Wielands Familie. Er ließ also seine Frau Auguste Friedericke und seinen damals 7 Jahre alten Sohn Carl Emil Ottmar in Kemtau zurück. Sein Vater Johann Adolph Wieland zog nach der Zwangsversteigerung 1848 nach Zöblitz, wo zwei seiner Söhne lebten. Er wohnte im Haus seines zweiten Sohnes Friedrich Wilhelm, der in Zöblitz 1839 das ehemalige Lehngutsgebäude erworben hatte. Im Haus wohnte auch dessen Frau Johanna Christiana, eine alte Bekannte aus Kemtau, die Tochter des Landfuhrmann's Carl Friedrich Uhlig vom Uhliggut. Adolph Ferdinand Wielands Vater wurde 82 Jahre alt und starb 1855 in Zöblitz. 

Auch die verlassene Schwiegertochter Auguste Friedericke und ihr Sohn Carl Emil Ottmar folgten ihm nach Zöblitz. Friedericke standen jedoch schwere Jahre bevor, so stand in der Leipziger Zeitung: "Nachdem von uns für die wahnsinnige Auguste Friedericke verehelichte Wieland aus Kemtau, derzeit in der Irrenanstalt zu Sonnenstein untergebracht, der Kirschnermeister Albrecht Hänel in Chemnitz als Zustandsvormund bestätigt worden ist, so wird Obervormundschaftswegen solches zur Nachricht bekannt gemacht. Dittersdorf, den 3. August 1854." Diese Irrenanstalt bei Pirna hieß offiziell „Königlich Sächsische Heil- und Verpflegungsanstalt Sonnenstein“ und hatte einen herausragenden Ruf in Europa und darüber hinaus, bis in die USA wurden Konzept und Erfolg des Sonnensteins getragen. Sie starb 1857, nach 2 Jahren Aufenthalt in der Versorgungsanstalt zu Hubertusburg. Nicht aus Gram, sondern an einer unheilbaren Krankheit, "eine knöcherne Masse war in ihr Gehirn eingewachsen"  (1). Friedericke wurde 43 Jahre alt. Ihr Sohn wurde Direktor der Serpentinsteinwerke Wieland & Co. in Zöblitz. Das Zöblitzer Serpentin war weltberühmt.

Adolph Ferdinand Wielands Neustart 1855

Nach seiner Rückkehr aus den Vereinigten Staaten ließ sich Adolph Ferdinand Wieland in Schwarzenberg nieder. Er verdiente sein Geld als Depositen- und Sportelnkontrolleuer, er zog also das Entgelt ein, das Untertanen für gerichtliche Handlungen oder sonstige Amtshandlungen zu entrichten hatten. Diesen lukrativen Posten verschaffte ihm zweifellos sein ältester Bruder Karl Friedrich Adolph, der ja Kreisamtmann in Schwarzenberg war.

Nach dem frühen Tod seiner Ehefrau Auguste Friedericke im März 1857 war der Weg frei für eine zweite Ehe. Er heiratete noch im gleichen Jahr Christiane Marie Günther. Sie war die Tochter eines Schwarzenberger Zinn- und Waffenschmieds. Mit ihr hatte Adolph Ferdinand zwei Söhne und eine Tochter. Gestorben und beerdigt ist der letzte Lehnrichter von Kemtau in Waldheim Im Jahre 1873. Er wurde 61 Jahre alt.

Quellen

(1) Zeitschrift für Mitteldeutsche Familiengeschichte / Die Lehnrichterfamilie Wieland in Kemtau (Erzgebirge), Roland Kunick, 2/2012 

(2) Die Landgemeindeordnung des Königreichs Sachsen, Leipzig 1839

(3) 550 Jahre dörfliches Leben Kemtau / Eibenberg

(4) Bericht über die deutsche Colonie Wartburg in Ost-Tennessee in Nord-Amerika, Johannes Ernst Weigel (Hrsg.), 1848

(5) Bericht aus und über Amerika gegeben nach eigener Anschauung in den Jahren 1848 und 1849, J. G. Häcker Chemnitz, 1849

(6) German and Swiss Colonization in Morgan County, Tennessee by Hobart Schofield Cooper, University of Tennessee 1925

(7) Karte: Vereinigte Staaten von Nord Amerika, nebst Mexico und Centralamerika, West 1865

(8) Des Auswanderers Handbuch, George M. v. Ross, 1851

(9) Wartburg: Dream and Reality of the New Germany in Tennessee, Klaus G. Wust, 1963

(10) Nach Amerika! Zweiter Band, Friedrich Gerstäcker, 1855

(11) Volkszählung der Vereinigten Staaten 1850 (familysearch.org)