Ein regionales Sportprogramm für den Winter 1939/40 gibt Einblick in den Stand des Wintersports bis zum Kriegsbeginn. Neben zahlreichen Werbeanzeigen zur damaligen Wintersportausrüstung sind auch die regionalen Sportstätten und Wintersporttermine des Erzgebirges aufgeführt.
Auch Kemtau ist als Sportstätte aufgeführt. Am 7. Januar 1940 sollten die Chemnitzer Skiwettläufe in Kemtau-Erfenschlag stattfinden. Die Kemtauer Turnerschanze, die in den 1930er Jahren aktiv genutzt wurde, gab es zu diesem Zeitpunkt wohl nicht mehr. In der Broschüre heißt es zu Kemtau:
Kemtau, diesen Erzgebirgsort kennt wohl jeder Skiläufer von den Chemnitzer Skiwettläufen her. Manch heißer Kampf ist in früheren Jahren hier schon ausgetragen worden. Die freien Hänge und herrlichen Wälder bieten zünftige Abfahrten. Im Januar werden hier die Chemnitzer Langstreckenläufe abgehalten und zum Springen geht’s dann hinunter nach Erfenschlag.
Erfenschlag, liegt vor den Toren der Stadt Chemnitz. Es ist der Ort mit der ersten beleuchteten Sprungschanze Deutschlands. An dieser Walter-Güldner-Schanze trainieren auch Abends die Skiläufer des Kreises Chemnitz. Und ein ganz herrliches Skigelände gibt’s da für Tourenläufer. Der Ort ist Ausgangspunkt zum naheliegenden Geiersberg und Pfarrhübel.
Die Walter-Güldner-Schanze wurde am 6. Dezember 1925 eingeweiht und erhielt wirklich im Jahre 1928 eine Flutlichtanlage. Der Namensgeber war ein Chemnitzer Früchtegroßhändler, der sich bei der Vorbereitung und Durchführung des Schanzenbaus verdient gemacht hatte. Walter Güldner war auch Skispringer und führte selbst den Weihesprung aus. Die Schanze wurde später weiter ausgebaut und erhielt zwei Sprungrichterkanzeln. Während des Krieges verfiel die Anlage, wurde aber 1950 wieder aufgebaut.
Uhlig's Gasthof lag im Tal direkt an der Zwönitz gleich am Auslauf der Walter-Güldner-Schanze. Die zahlreichen Sprungläufe lockten viel Publikum an und bescherten dem Haus volle Gaststuben.
Adelsberg bei Chemnitz ist auch ein beachtlicher Wintersportplatz, der in früheren Jahren schon immer gern aufgesucht wurde. Die schneesicheren Wälder locken Tausende von Skiläufern an. Ein Ort, so recht zum Erholen, ist Ausgangspunkt vieler Wanderungen.
Grüna - ist ebenfalls leicht und schnell von Chemnitz zu erreichen. Das Totensteingebiet und der Gußgrund, wo sich die eine gute Sprungschanze befindet, ist ausgesprochen nordisches Wettlaufgelände. Durch die besondere klimatische Lage sind hier oft noch Möglichkeiten vorhanden, den Skilauf zu pflegen, wenn in Chemnitz längst kein Schnee mehr liegt. Eine Skifahrt dorthin ist lohnend.
Greifensteingebiet - ein Platz, der immer mehr aufblüht, an dem die Chemnitzer diesen Winter ihre großen nordischen Kreismeisterschaften austragen werden. Von seinen Berghöhen bietet er Rundsichten, wie sie das Erzgebirge ganz selten zu schenken vermag.
Im Berghaus bei den Greifensteinen gründete 1901 eine Gruppe von 18 Skifahrern den Chemnitzer Skiklub. Auf der Rückseite dieser Ansichtskarte heißt es:
Greifenstein-Berghaus der Stadt Ehrenfriedersdorf umgeben von schönem Wald, durch gute Promenadenwege zugänglich, beliebter Ausflugsort, angenehme Sommerfrische. Im Winter Rodelbahn 1500 m lang und herrliche Skigelände.
Annaberg ist Verkehrsmittelpunkt des silbernen Erzgebirges und auch sportlich ganz groß in Ordnung. Sprungschanze und Skihänge am Pöhlberg.
In Annaberg wurde der erste sächsische Skiclub gegründet, der "Skiclub Norweger 1896" und der Pöhlberg war sein Domizil. Das Unterkunftshaus mit dem Aussichtsturm gehört bis heute zu den Wahrzeichen von Annaberg/Buchholz. In den 30er Jahren wurde damit geworben: Elektrisches Licht, Zentralheizung, Vorzügliche Verpflegung, Behaglicher Aufenthalt, Umfassende Rundsicht, Gepflegte Zugangs-Straßen und Wege, abends elektrisch beleuchtet.
Der Skiclub Norweger 1896 war maßgeblich an der Errichtung der ersten Sportstätten auf dem Pöhlberg beteiligt. Schon 1909 wurde ein erster Sprunghugel neben den Butterfässern errichtet. 1915 erfolgte dann die weitere Erschließung des Berges in Form von "Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen". Dazu gehörte der Neubau der mustergültigen Bobbahn und der Ausbau der vorhandenen Rodelbahn mit versteinten Kurven und einer elektrischen Beleuchtung der 2 km langen Bahn. Zwischen dem großen Schneeschuhsportgelände und der Zufahrtsstraße wurde ein Streifen Wald aufgeforstet um den Wind abzuhalten und Schneeverwehungen zu verhindern. Auch eine große Eisbahn gab es am Fuße des Berges.
Die Pöhlbergschanze wurde 1920 neben der Auffahrtsstraße errichtet. Das Skispringen wurde damals immer populärer, als 1929 ein Schauspringen veranstaltet wurde, gingen 136 Springer an den Start und mehrere Tausend Zuschauer kamen zum Pöhlberg. Den Höhepunkt erlebte die Sprungschanze 1936 mit einem Wintersportfest, das vom Skiclub Norweger 1896 ausgerichtet wurde. Die Pöhlbergschanze wurde dazu renoviert und erhielt einen 14 m hohen Anlaufturm aus Holz. Man konnte nun sowohl vom oberen Startplatz als auch von einer tiefergelegenen Startluke abfahren. An diesem Fest nahm der damalige weltbeste Skispringer, Birger Ruud aus Norwegen teil. Er sprang einen neuen Schanzenrekord von 41,5 Metern. Dieses Annaberger Sportfest war die letzte große Wintersportveranstaltung auf dem Pöhlberg vor dem zweiten Weltkrieg. Im Sportprogramm von 1939/40 tauchte Annaberg nicht mehr als Austragungsort auf.
Oberwiesenthal - über diesen Kurort braucht man nichts mehr zu schreiben, denn Oberwiesenthal ist für jeden Skiläufer ein Begriff. Hier gibt’s eine Bergbahn, zwei 12 Hunderter-Berge, große pfundige Hänge, eine Standardabfahrt, Berufsskilehrer und Skihasen aus der frischen Kiste, Pferdeschlitten, weites Wandergelände und des Abends Tanz in der Bar.
Der Text zum Wintersportplatz Oberwiesenthal im Sportprogramm vom Winter 1939/40 gibt ein Rätsel auf und damit sind nicht die "Skihasen aus der frischen Kiste" gemeint. Warum wird bei der Aufzählung der Oberwiesenthaler Attraktionen nicht die Fichtelbergschanze, die damals "Martin-Mutschmann-Schanze" hieß, mit keinem Wort erwähnt? Dabei wurde sie erst 1938 nach zwei Jahren Bauzeit eingeweiht und galt als schönste und modernste Skisprunganlage Deutschlands - oder gar der Welt? In den beiden markanten Kampfrichtertürmen rechts und links des Auslaufes dürften auch die Fernsehkameras gestanden haben, denn seit den Olympischen Spielen 1936 gehörten Fernsehübertragungen zu den Sportereignissen dazu. Bis 1970 gehörte die alte Fichtelbergschanze mit ihren drei Holztürmen, neben der Seilbahn und dem Fichtelberghaus, zu den Wahrzeichen von Oberwiesenthal.
Im Absprungturm befanden sich 1940 nicht nur Aufenthaltsräume für die Skispringer, sondern auch die abgebildete Skihütte. Vielen Besuchern des Fichtelberges zu DDR-Zeiten war dieses Lokal als Erzgebirgsgaststätte bekannt. Der Absprungturm diente auch als Jugendherberge.
Im Veranstalungskalender für den Winter 1939/40 standen gleich drei Wintersportereignisse in Oberwiesenthal an:
25. Februar - Kreismeisterschaften alpine Kombination
3. März - Dr. Walter Seyfarth-Gedächtnislauf
10. März - Abfahrts- und Torlauftraining
Ob diese Termine stattfanden, steht in den Sternen - der zweite Weltkrieg hatte begonnen.