Die Buslinie von Chemnitz nach Annaberg-Bucholz

Büssing Bus der Linie Chemnitz-Buchholz in den 20er Jahren
Büssing Bus der Linie Chemnitz-Buchholz in den 20er Jahren

Von der ersten Autobusverbindung in das Obererzgebirge, der späteren Busline 210, gibt es leider nur wenige Abbildungen. Das Foto vom Gasthof Auenberg mit eine Omnibus stammt aus den 1920er Jahren, auf der Straße von Chemnitz nach Annaberg liegen Pferdeäpfel und es sieht auch sonst noch sehr ruhig aus. Der Bus ist ein dreiachsiger Büssing VI GL "Moritzburg", der erst ab dem Jahr 1924 gebaut wurde, also ist hier eine Abbildung nach dem 1. Weltkrieg zu sehen. Die Anfänge dieser Busverbindung gehen jedoch auf das Jahr 1910 zurück. Damals sahen die Omnibusse noch völlig anders aus und es gab nur wenige Firmen, die Omnibusse herstellen konnten. Welche das waren kann man an der Vorgeschichte der Buslinie 210 sehen.

Erste Ideen

Rassmussen und seine Frau 1904 Quelle: Wikipedia
Rassmussen und seine Frau 1904 Quelle: Wikipedia

Es war Mitte Dezember 1910 als der Burkhardtsdorfer Gemeinderat über den Antrag eines Chemnitzer Fabrikanten namens Rasmussen zu entscheiden hatte, der um finanzielle Beteiligung der Gemeinde beim Aufbau eines Automobilverkehrs von Chemnitz nach dem Erzgebirge warb. Jørgen Skafte Rasmussen war ein dänischer Ingenieur und Industrieller, der in Mittweida Maschinenbau studierte. Er heiratete 1904 die Chemnitzer Kaufmannstochter Therese Liebe. Er gründete mit einem Partner eine Fabrik in der Annaberger Straße 25, die Dampfmaschinenzubehör produzierte. 1910 war der junge Mann noch ein unbeschriebenes Blatt, das sollte sich 13 Jahre später ändern. Er gründete die Motorenwerke J. S. Rasmussen AG in Zschopau und etablierte die Marke DKW. Unter diesem Namen wurde er zeitweise zum größten Motorradhersteller der Welt. In den 1930er Jahren kamen auch Automobile dazu. Wenn man heute einen Audi mit den vier Ringen am Kühlergrill begegnet, dann repräsentiert Rasmussen einen dieser Ringe. 

Zschopauer Amtsblatt 12. November 2010
Zschopauer Amtsblatt 12. November 2010

Doch zurück ins Jahr 1910. Einen Monat vor dem Entscheid in Burkhardtsdorf, hatte die Firma Rasmussen & Ernst im Amtsblatt von Zschopau ihre Pläne für eine Buslinie quer durch das Erzgebirge vorgestellt. Burkhardtsdorf kam in dem Rundkurs gar nicht vor. Offenbar war die Zustimmung der Ortschaften nicht all zu gross und man suchte auf alternativen Strecken nach mehr Akzeptanz. Ohne Erfolg. Der Gemeinderat Burkhardtsdorf lehnte eine finanzielle Beteiligung am geplanten Busverkehr ins Obererzgebirge mit der Begründung, dass die bestehende Eisenbahnverbindung nach Chemnitz ausreichend ist, ab. 

Die Projektierung beginnt

Im Jahre 1911 gingen die Vorarbeiten weiter. Es wurde ein Komitee zur Vorbereitung einer Aktiengesellschaft gegründet. Rasmussen war zu diesem Zeitpunkt wohl schon aus der Planung ausgeschieden. Der Sitz des Komitees war Geyer mit dem dortigen Bürgermeister Kneschke als Vorsteher. Dabei ging es um die Beschaffung der erforderlichen 150.000 Mark für die Realisierung des Vorhabens. Am 25. Mai 1911 wurde beschlossen eine Aktiengesellschaft zu gründen. Nun stand der Burkhardtsdorfer Gemeinderat dem Vorhaben doch wohlwollend gegenüber und sollte später auch 2 Aktien zu jeweils 500 Mark erwerben. Es dauerte jedoch noch fast ein Jahr, bis die AG gegründet wurde.

Eine andere große Aufgabe bestand in der Planung der Linienführung. Dazu wurden zwei Omnibusse leihweise erworben und Testfahrten unternommen. Im Ergebnis wurden zwei Fernlinien eine Nahverkehrslinie geplant. Als Stützpunkte wurde Geyer (Nahverkehr) und Ehrenfriedersdorf (Fernverkehr) angedacht, in welchen je eine Garage gebaut werden sollte. Von Ehrenfriedersdorf sollten täglich je 2 Wagen nach Chemnitz und 2 Wagen nach Neustädtl bei Schneeberg fahren. Dabei wird Wert darauf gelegt, dass auf dem Weg nach Chemnitz Verkehrsanbindungen entstehen, die nicht schon von der Eisenbahn abgedeckt sind. Geplant ist auch ein später Nachtomnibus, der in Chemnitz die einlaufenden Schnellzüge abwartet und von Chemnitz gegen Mitternacht zurückfährt. Damit wird auch die längst gewünschte Theaterverbindung geschaffen. Anfangs plante man zwischen Gelenau und Chemnitz zwei parallele Linien. Zum einen die heute bekannte von Obergelenau über Burkhardtsdorf und Harthau und eine zweite durch Untergelenau und Weißbach nach Chemnitz. Die Anliegerorte zeigten jedoch kein Interesse, auch der Versuch Zschopau anzubinden, scheiterte an den schlechten Wegverhältnissen. 

Zwei weitere Omnibusse waren für den  Nahverkehr vorgesehen. Ausgehend von Geyer in konzentrischen Ringen in gegensätzlicher Richtung über Tannenberg - Annaberg - Buchholz - Ehrenfriedersdorf wieder nach Geyer. Es sollte schon frühmorgens ein Bus zur Beförderung der Schüler zu den Annaberger Lehranstalten fahren. Soweit der Planungsstand am Ende des Jahres 1911.

Das Jahr 1912

Mitte Januar 1912 sollte eine Versammlung des Gesamtausschusses über Fahrpläne, Preise und besonders die Vergabe der Omnibuslieferung entscheiden. Für den Start der Buslinien war der April 1912 vorgesehen. Aber offenbar gab es noch Klärungsbedarf, bis die endgültige Genehmigung durch die Sächsische Staatregierung Abteilung Finanzen erteilt wurde. Der Eröffnungstermin konnte nicht gehalten werden. Es musste wohl an den Kosten gespart werden. Als erstes wurde einer der beiden Stützpunkte gestrichen. Ehrenfriedersdorf fiel weg, Geyer blieb. Dann wurde die Nahverkehrslinie gestrichen. Annaberg und Buchholz wurde in die erste Fernverbindung integriert. Die Inbetriebnahme der zweiten Fernverbindung von Ehrenfriedersdorf über Geyer, Zwönitz, Aue, Schneeberg nach Neustädtel wurde auf einen späteren Zeitpunkt des Jahres verschoben. Ende April begann der Bau einer Wagenhalle für 8 Omnibusse in Geyer, in der heutigen Elterleiner Straße 21. Am 12. März 1912 wurde endlich die „Erzgebirgische Kraft-Omnibus Verkehrs AG“, kurz EKOV zur Errichtung eines Zentral-Automobilverkehrs von Chemnitz ins Obererzgebirge ins Leben gerufen. Der Sitz der Gesellschaft war Geyer und im Vorstand saßen die Herren Ernst Paul Rehm, Stadtrat zu Geyer; Dr. Wilhelm Ludwig Kneschke, Bürgermeister von Geyer; Max Rudolf Horn, Fabrikbesitzer in Buchholz; Kommerzienrat und Fabrikant Friedrich Oskar Brauer aus Buchholz.  Der Termin für die Inbetriebnahme wurde auf Mitte Mai festgelegt, auch dieser wurde nicht eingehalten.

Der Beginn des Linienverkehrs

Am 11. Juni 1912 wurde der reguläre Betrieb der Linie Chemnitz - Burkhardtsdorf - Ehrenfriedersdorf - Geyer - Annaberg - Buchholz aufgenommen. Die Nahverkehrslinie rund um Geyer wurde dadurch hinfällig. Die Burkhardtsdorfer Zeitung vom 12. Juni 1912 berichtete darüber:

Kraft-Omnibusverkehr der Linie Chemnitz - Ehrenfriedersdorf - Geyer - Annaberg - Buchholz. Der Betrieb ist Dienstag den 11. Juni mit 2 neuen und den beiden geliehenen Wagen, die bisher schon auf der Annaberger Strecke verkehrten, eröffnet worden. Am 17. Juni werden wiederum 2 neue Wagen in Betrieb gesetzt, so daß dann die gesamte Strecke mit neuen Wagen befahren wird. Die beiden alten Wagen bleiben alsdann in Reserve und können ev. zu Gesellschaftsfahrten mit eingestellt werden. Am 8. Juli werden dann die letzten beiden Wagen geliefert, so daß mit diesem Tage der ganze Betrieb in Ordnung ist. Fahrpläne sind in der Geschäftsstelle dieser Zeitung zu haben. 

Das war die Geburtsstunde der heutigen Linie 210. Leider ließ sich die Burkhardtsdorfer Zeitung nicht darüber aus, von welcher Firma die Omnibusse auf der neuen Strecke waren. Wahrscheinlich waren es wie auf der Strecke Chemnitz-Penig Busse der Firma "Heinrich Büssing, Specialfabrik für Motorlastwagen, Motoromnibusse und Motoren", der späteren Büssing AG. Auch Busse von Benz oder Daimler kamen für die neue Strecke Chemnitz-Annaberg in Frage.

Der Verlauf der ersten Linie von Chemnitz nach Buchholz

Der erste Sommerfahrplan der Linie 210 im Jahre 1913 aus: R. Fritzsches Kursbuch für Sachsen, das übrige Mitteldeutschland, Böhmen und Schlesien
Der erste Sommerfahrplan der Linie 210 im Jahre 1913 aus: R. Fritzsches Kursbuch für Sachsen, das übrige Mitteldeutschland, Böhmen und Schlesien

Beginn und Endpunkt der Buslinie

Start der Buslinie am Hauptbahnhof in Chemnitz
Start der Buslinie am Hauptbahnhof in Chemnitz

Als die erste Buslinie ins Erzgebirge 1912 in Betrieb ging, hatte die Eisenbahn schon ganz Deutschland erobert. Auch die Städte Chemnitz und Annaberg, sowie zahlreiche Dörfer z.B. Burkhardtsdorf und Kemtau hatten einen Bahnhof. So war es selbstverständlich eine neue Buslinie an das vorhandene Eisenbahnnetz anzuschließen. 

Das Ziehl in Buchholz
Das Ziehl in Buchholz

Durch die Einsparung der geplanten Nahverkehrslinie um Geyer und Annaberg, musste die erste Fernlinie bis Annaberg erweitert werden. Sie endete jedoch nicht am Marktplatz, sondern wurde bis zum Hauptbahnhof Buchholz weitergeführt. Das Foto zeigt die Größe und damit auch die Bedeutung der Eisenbahn, wenn der kleine Ort Buchholz so einen großen Bahnhof erhielt - und es gab sogar einen Nebenbahnhof. Natürlich hatte auch Annaberg mehrere Bahnhöfe.

Die Fahrzeiten von Burkhardtsdorf aus

Der Chemnitzer Hauptbahnhof und die Albertstraße 1912
Der Chemnitzer Hauptbahnhof und die Albertstraße 1912

Die Bushaltestelle in Burkhardtsdorf befand sich vor dem Gasthof Auenberg und eine Fahrt nach Chemnitz dauerte im Sommer und im Winter 45 Minuten und endete in Chemnitz neben dem Bahnhof in der damaligen Albertstraße (heute Bahnhofstraße). Die Fahrt nach Annaberg auf den Marktplatz dauerte im Sommer 1 Stunde und 10 Minuten, im Winter dauerte die Fahrt 35 Minuten länger. 

Bedarfshaltestellen

Reichel's Neue Welt um 1900
Reichel's Neue Welt um 1900

Die vielen Bedarfshalte betrafen häufig Gasthöfe, Ballsäle und Ausflugsgaststätten, die nur angefahren wurden, wenn sie geöffnet hatten. Eines der größten und auch ältesten Gartenlokale war damals "Reichel's Neue Welt", einem Ball- und Vergnügungsetablissement in Altchemnitz. Betrachtet man die Ansichtskarte, kann man heute kaum noch glauben, was damals alles zu so einem Lokal gehörte. Natürlich gehörte auch die "Besenschänke" zu diesen Haltestellen. Und in Annaberg war es der äußerst beliebte Tanzsaal "Lindengarten" der anfangs bei Bedarf angefahren wurde, obwohl er etwas abseits der Strecke lag.

Die zweite Linie von Ehrenfriedersdorf nach Neustädtel und Zschorlau

Bahnhof Schneeberg-Neustädtel
Bahnhof Schneeberg-Neustädtel

Die zweite Fernverbindung von Ehrenfriedersdorf über Geyer - Zwönitz - Aue - Schneeberg nach Neustädtel wurde ebenfalls noch im Sommer 1912 gestartet und zum Winterfahrplan bis Zschorlau verlängert. Es gab damals eine kleine Bahnlinie von Niederschlema über Oberschlema, Schneeberg nach Neustädtel. 

Vor dem Hotel Blauer Engel am Markt von Aue hielt der Bus
Vor dem Hotel Blauer Engel am Markt von Aue hielt der Bus

Die Stadt Aue war damals ein Verkehrsknoten mit der Endstation der Eisenbahnlinie Chemnitz - Aue. Der Sendemast vor dem Hotel gehörte zum Telegraphennetz.

Im September 1912 wird jedoch eine sehr positive Bilanz für beide Linien gezogen. Die Omnibusse werden so stark genutzt, dass die vorhandenen 6 Autoomnibusse zur Bewältigung des Verkehrs nicht mehr ausreichen. Es wird deshalb die Beschaffung zweier weiterer Wagen beschlossen. Dazu ist das Aktienkapital um 50.000 Mark, auf 200.000 Mark aufzustocken. Wie lange dieser Vorgang dauerte, ist zwar ungewiss, aber es sollte kein Monat vergehen, bis ein Ereignis bei Ehrenfriedersdorf zur Eile drängte. Ein Omnibus kam auf Grund von einem technischen Problem mit der Steuerung von der Straße ab und rammte einen Baum. Zum Glück hatte der Wagen keine Passagiere und der Chauffeur konnte rechtzeitig abspringen. Der Omnibus wurde jedoch total zerstört.

Fahrplan von 1913 nun bis Zschorlau
Fahrplan von 1913 nun bis Zschorlau

Der weitere Verlauf bis zum Beginn des ersten Weltkrieges

Aber es lief nicht alles so erfolgreich, wie man sich erhofft hatte. Schon im Winter gab es erwartungsgemäß Probleme. Der November 1912 brachte viel Schnee und der Verkehr musste zeitweilig eingestellt werden. Im Dezember rutschte ein Omnibus in den Straßengraben, ohne großen Schaden zu nehmen. Es gab noch andere Probleme, wie folgende Meldung Anfang Dezember aus Buchholz zeigte: "Vorschriften über den Verkehr von Kraftomnibussen hat der Stadtrat von Buchholz  erlassen. Darin wird unter anderem darauf hingewiesen, dass die Fahrgeschwindigkeit im Stadtbezirk 8 km/h nicht überschreiten darf. Die Kraftwagenfahrer und Begleitmannschaften haben sich dem Alkoholgenuss auf der Fahrt zu enthalten. Das Einkehren in den an den Haltestellen befindlichen Schankwirtschaften ist ihnen verboten."

Im Frühling 1913 gab es einen weiteren Rückschlag. Ein Bus verunglückte auf dem Weg von Burkhardtsdorf in Richtung Gelenau. Es gab zahlreiche, teils schwer Verletzte und der Bus erlitt wieder einen Totalschaden. Die Burkhardtsdorfer Zeitung berichtete ausführlich darüber.

Ein weiterer Unfall ereignete sich am Sonnabend, den 12.Juli 1913 morgens 7 Uhr 40 auf der Fahrt von Geyer nach Ehrenfriedersdorf. An einem Bahnübergang wurde ein Bus der "EKOV" von einer Lokomotive gesteift und umgeworfen. Zum Glück waren nur zwei Fahrgäste im Automobil, die mit dem Schrecken davon kamen.

An dieser Stelle ist ein Blick auf die Unfallstatistik vom Oktober 1912 bis September 1913 angebracht. Im Deutschen Reich gab es 11.785 Unfälle, an den 12.772 Automobile verschiedener Art beteiligt waren. Dabei war sogar eine "Massenkarambolage" mit 5 Automobilen. In Sachsen ereigneten sich im genannten Zeitraum 1.315 Unfälle mit 1.394 Fahrzeugen.

Eine neue Weichenstellung sollte die Generalversammlung der Automobil-Omnibus-Verkehrs-Gesellschaft (EKOV) am 14. August 1913 in Geyer bringen. Es wurde über die Verstaatlichung der Buslinie abgestimmt. Auch der Burkhardtsdorfer Gemeinderat schickte einen Vertreter, der für die Verstaatlichung stimmte. Andere waren jedoch offenbar dagegen. Ein 2. Anlauf zur Verstaatlichung am 1. Oktober scheiterte ebenfalls. Ein Fehler, wie sich bald herausstellen sollte.

Das Jahr 1913 verabschiedete sich, wie im Vorjahr mit Schnee und Eis. Am Nikolaustag fiel der erste Schnee. Am darauf folgenden Sonntag, nachmittags in der 5. Stunde, ereignete sich ein Automobilunglück. "Als der fahrplanmäßige Wagen der "Ekov"-Gesellschaft die scharfe Kurve hinter dem "Waldschlößchen" kurz vor Thum nahm, kam von der anderen Seite ein Privatauto entgegen gefahren. Infolge der Glätte kam das Privatauto ins Rutschen, wodurch beide Gefährte zusammenstießen. Als ein Wunder ist es zu betrachten, daß die Insassen des "Ekov"-Automobils völlig unversehrt blieben. Dagegen sind die Insassen des Privatautos schlimmer davongekommen. Der Bruder des Besitzers erlitt leichte Verletzungen, seine Braut aber wurde schwer verletzt. Der Herr Dr. Schreiber aus Thum leistete die erste Hilfe und veranlasste die Überführung der jungen Dame in eine Chemnitzer Privatklinik. Auch das Privatauto war schwer beschädigt worden" berichtete die Burkhardtsdorfer Zeitung.

Das nächste Jahr stand im Zeichen des ersten Weltkrieges. Alle Busse der privaten Busunternehmen wurden in Truppentransporter umfunktioniert, die Busgesellschaften aufgelöst. Der Überlandbusverkehr endete am 18. August 1914. Hätte eine Verstaatlichung der "EKOV" AG wenigstens einen Teil des Fuhrparkes retten können?

Neuanfang nach dem ersten Weltkrieg

VOMAG P 20 f Baujahr 1920
VOMAG P 20 f Baujahr 1920

Nach Kriegsende wurde der gesamte  Überlandbusverkehr verstaatlicht. Das betraf nun auch die "EKOV" AG, die am 1. Mai 1919 liquidiert wurde. Nachfolger der privaten Aktiengesellschaften wurde die 1912 gegründete Staatliche Kraftwagenverwaltung (SKV), die nach und nach wieder die ehemaligen Buslinien aus Chemnitz ins Umland wiedereröffnete. Eine davon war die Linie 15 nach Annaberg am 13. Juni 1920. Da die SVK 1913 schon 4 eigene Omnibuslinien im Vogtland betrieb, war es nahliegend, Busse aus Sachsen, konkret dem Vogtland einzusetzen. Die Vogtländischen Maschinenfabrik AG (VOMAG)  wurde 1881 als Strickmaschinenfabrik gegründet, baute im ersten Weltkrieg LKW's und Rüstungsgüter und ab 1919 auch Omnibusse. Einer der ersten war der P 20 f mit 30/35 PS.

Daimler DC 3 c als Panoramawagen
Daimler DC 3 c als Panoramawagen

Die Beschaffung neuer Fahrzeuge war nach dem Kriege mit Schwierigkeiten verbunden und man war gezwungen auf Vorkriegsbestände zurückzugreifen. Ein glücklicher Umstand war, dass die Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen 1914 insgesamt 43 Busse vom Typ Daimler DC 3 c erworben hatten, die nun von der staatlichen Kraftwagenverwaltung (SKV) in ihren Bestand eingeordnet wurden. Der Daimler DC 3 c hatte einen 4-Zylindermotor mit 5.699 cm³ Hubraum und 35 PS Leistung. Diese Busse, mit ihren 15+1 Sitzplätzen, waren bis Mitte der 1920er Jahre auf den Linien der SKV im Einsatz, bis leistungsfähigere Busse zur Verfügung standen.

 

Staatliche Buslinien in Sachsen 1920/21
Staatliche Buslinien in Sachsen 1920/21

Während der Inflation musste der Verkehr schon wieder deutlich eingeschränkt werden. Ursache war der teure und knappe Treibstoff und die gestiegenen Löhne. Die immer teurer werdenden Fahrkarten wollte keiner mehr bezahlen. Die Linie 15 wurde zusammen mit den übrigen Linien am 5. November 1922 wieder eingestellt. 1923 gab es in ganz Sachsen nur noch drei Omnibuslinien.

Die 20er Jahre nach der Inflation

Büssing VI GL 1924 "Moritzburg"
Büssing VI GL 1924 "Moritzburg"

Noch während der Inflationszeit wurde am 23. Dezember 1919 die Kraftverkehrsgesellschaft Freistaat Sachsen (KVG) gegründet, die eng mit der SKV verzahnt war. Die SKV verwaltete die Omnibusse und die KVG war für die Immobilien, wie Kraftwagenhallen, Werkstätten, Verwaltungsgebäude und Tankanlagen, zuständig. Am 1. Januar 1923 wurde die SKV von der KVG übernommen, die nun die Betriebsführung des sächsischen Kraftverkehrs übernahm, der jedoch weiterhin ruhte. Nach dem Ende der Inflation wurden ab 1924 wieder Überlandbuslinien eingerichtet, darunter auch die Linie 15 am 12. Juli 1924. Ende 1925 besaß die KVG schon 500 Omnibusse. Zum Einsatz kamen auf der Strecke Chemnitz-Annaberg, nun Busse der Heinrich Büssing Automobilwerke AG in Braunschweig. Wie schon auf dem ersten Bild dieses Beitrages zu sehen, war das der erste sogenannte Sechsrad-Omnibus der Welt vom Typ Büssing VI GL. Er war mit einem 4-Zylinder Motor mit 55 PS ausgestattet und hatte 40-50 Sitzplätze, mit den Stehplätzen konnten maximal 75 Personen befördert werden. Die Omnibusse wurden in verschiedenen Aufbauvarianten hergestellt, die Städtenamen trugen z.B. "Leipzig" und "Annaberg". Der hier abgebildete Bus trug den Namen "Moritzburg". Er war zu erkennen an der Einstiegstür auf der Fahrerseite hinter der Fahrertür. Die Fahrgäste mussten also den sicheren Straßenrand verlassen, um den Bus zur Straßenmitte herumgehen um einsteigen zu können. Heute unvorstellbar.

Liegengebliebener Büssing Bus
Liegengebliebener Büssing Bus

Der Winter im oberen Erzgebirge blieb trotz des technischen Fortschrittes immer wieder eine Herausforderung, die nicht immer gemeistert wurde.

Büssing VI GLn in Altchemnitz bei "Reichel's Neuer Welt"
Büssing VI GLn in Altchemnitz bei "Reichel's Neuer Welt"

Der Büssing VI GLn war der Nachfolger des ersten Büssing 3-Achsers. Der stärkere und größere Bus hatte einen 6-Zylinder Motor mit 9.340 ccm und 85 PS. Er kam in der 2. Hälfte der 20er Jahre zum Einsatz. Äußerlich konnte man ihn durch die höhere Zahl der Seitenfenster unterscheiden, er wurde in der Bauart "Dresden I" auch "Langer Sachse" genannt. Natürlich kaufte die KVG von anderen Busherstellern ebenfalls die neuesten Modelle ein z.B. hatte VOMAG leistungsfähige dreiachsige Busse im Angebot z.B. dem VOMAG OM 57.

1927 wurden auch Eillinien zu entfernteren Zielen eingerichtet. Anfang 1929 wurden die dreistelligen Liniennummern eingeführt und die Linie Chemnitz - Annaberg erhielt die Nummer 210. Mit der Nummer 199 ging am 15. Juli 1927 die Eillinie Chemnitz – Annaberg-Buchholz – Oberwiesenthal – Karlsbad mit 87 km Länge an den Start.

Die 30er und 40er Jahre

Ein VOMAG 5 OM 1258 (Bj. 1935) am Bedarfshalt Besenschänke
Ein VOMAG 5 OM 1258 (Bj. 1935) am Bedarfshalt Besenschänke

In den 1930er Jahren wurden zahlreiche Linien im oberen Erzgebirge eröffnet und der Wagenpark mit den technisch neuesten Fahrzeugen ständig aufgestockt. Die KVG entwickelte in dieser Zeit ihren legendären Ruf als fortschrittlichster, zuverlässigster und größter Kraftverkehrsbetrieb Deutschlands. Das Liniennetz war nahezu flächendeckend, die Fahrpläne durchdacht und bedarfsgerecht, die Fahrzeuge modern und leistungsstark. Nach den KVG-Bussen konnte man sprichwörtlich die Uhr stellen. Der Omnibus war zum Massenverkehrsmittel geworden, man fuhr mit ihm zur Arbeit, zum Einkaufen und zur Erholung.

Büssing-NAG 80 N F Do „Fichtelberg" auf Probefahrt 1934
Büssing-NAG 80 N F Do „Fichtelberg" auf Probefahrt 1934

Mit der Einverleibung des Sudetenlandes in das Deutsche Reich 1938 verlängerte die KVG einige Linien über den Erzgebirgskamm ins Böhmische. So wurde die erfolgreiche Strecke Dresden - Annaberg ab 1938 über Oberwiesenthal bis nach Karlsbad befahren.

Auf diesen Strecken wurde dann auch der stärkste Bus seiner Zeit, der Büssing-NAG 80 N F Do genannt „Fichtelberg", eingesetzt. Der speziell für die Sächsische KVG entwickelte Bus hatte nicht nur zwei Motoren mit zusammen 320 PS, sondern auch zwei getrennte Antriebsstränge. Es war also im Flachland auch möglich, mit nur einem Motor und nur einer angetriebenen Achse zu fahren. Im Gebirge war er gewiss unschlagbar. 

Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 mussten erneut Streckenführungen gekürzt oder eingestellt werden, Fahrzeuge und Fahrer wurden zum Kriegsdienst eingezogen. Spätestens im April 1945 mussten alle Linien aufgrund der Kriegsereignisse eingestellt werden.Noch vorhandene Fahrzeuge und auch Betriebsgebäude lagen vielerorts in Schutt und Asche.

Neubeginn nach 1945 und DDR-Zeit

Ikarus 66 von 1972
Ikarus 66 von 1972

Die Kraftverkehrs-Gesellschaft verfügte nach Ende des Krieges noch über 144 der 538 Busse und 45 der 86 Anhänger. Am 9. Juli 1945 verkehrte mit der Linie 200 nach Leukersdorf im Berufsverkehr der erste Überlandbus nach Kriegsende. Bis 1946 waren die meisten Vorkriegslinien wieder in Betrieb.  Allerdings ließ der Mangel an Kraftstoffen, Ersatzteilen und Reifen kein regelmäßiges Befahren zu. Die gesellschaftlichen Entwicklungen nach 1945 brachten auch im Omnibusverkehr neue Tendenzen. Zunächst entstand als Nachfolger der Kraftverkehrsgesellschaft die Vereinigung volkseigener Betriebe (VVB) Land Sachsen.

Mit der Entstehung der Bezirke Dresden, Leipzig und Chemnitz (ab 1953 Karl-Marx-Stadt) wurden aus den Betriebsleitungen bezirklich geleitete volkseigene Kraftverkehrsbetriebe. Somit lag der gesamte Omnibuslinienverkehr in staatlicher Hand, die Vergabe von Konzessionen für private Betreiber war nahezu ausgeschlossen.

Mit dem Fahrplanwechsel am 3. Juni 1956 kam ein neues Liniensystem zur Anwendung und die Linie Karl-Marx-Stadt - Annaberg-Buchholz bis Oberwiesenthal erweitert. 

Zu DDR-Zeiten fuhren natürlich die ungarischen Ikarus Busse auf allen Linien des Ost-Blocks.

Heute

Heute gehört die Buslinie 210 von Chemnitz über Annaberg-Buchholz nach Oberwiesenthal zum Regionalverkehr Erzgebirge GmbH (RVE).